101 - Der Seelensauger
hätte das nicht für möglich gehalten.
Sie hatte geglaubt, Cuca wäre erledigt, aber die Hexe lebte, und sie mußte Atax informiert haben. Arma hatte keine andere Wahl. Sie mußte sich in ihr Schicksal ergeben.
Die Sinne drohten ihr zu schwinden, und sie lag jetzt ganz still, während sich dieser Druck über ihr immer mehr verstärkte. Schabend und knirschend rieben sich die Skelette aneinander.
Es war ein unrühmliches Ende, das sie nahm, ihrer nicht würdig.
Atax wollte sie selbst im Sterben noch demütigen!
***
Ich wartete ungeduldig auf Cruv. Tuvvana ließ ich nicht aus den Augen. Der weibliche Gnom hatte schreckliche Angst vor mir. Berechtigte Angst, denn Marbu würde nicht viel Federlesens mit ihr machen, wenn sie sich zu einer Unbesonnenheit hinreißen ließ.
Sie sah mich mit ihren großen dunklen Augen unglücklich an. Früher war sie mir sehr sympathisch gewesen, doch das war vorbei. Heute empfand ich nur noch eine tiefe Abneigung, wenn ich sie anschaute, denn sie gehörte zu einem anderen Leben von mir.
Zu einem Leben, mit dem ich jetzt nichts mehr zu tun haben wollte.
»Setz dich!« befahl ich ihr, und als sie nicht sofort gehorchte, bekam sie von mir einen derben Stoß, der sie auf das Sofa beförderte. Sie schluchzte leise. »Wenn du an deinem Leben hängst, machst du keinen Mucks, sobald Cruv eintrifft.«
Sie weinte. »Ich wußte, daß Marbu dich verändert hat«, sagte sie leise. »Aber ich hätte nicht gedacht, daß es so schlimm ist.«
Ich grinste. »Es ist nicht schlimm für mich«, erwiderte ich. »Sondern nur für meine einstigen Freunde - und für alle Feinde der schwarzen Macht!«
Ich hörte Schritte und eilte zur Tür, um mich dahinter zu verbergen. »Denk daran, was ich gesagt habe!« zischte ich, und ich war sicher, daß der weibliche Gnom nicht den Mut aufbringen würde, Cruv zu warnen.
Die Tür öffnete sich, und Cruv betrat besorgt den Raum. »Tuvvana!« rief er mitfühlend aus und machte ein paar schnelle Schritte auf sie zu.
Jetzt hatte ich ihn!
***
Die Schlechtwetterfront rückte rasch näher. Wie ein riesiges Ungeheuer fiel sie über die Eiswüste her, brüllend, heulend, den Schnee vor sich herpeitschend.
Inzwischen mußte David Fairbanks die Wetterstation erreicht haben. Mr. Silver glaubte nicht, sich um den Mann Sorgen machen zu müssen. Immer noch suchte der Ex-Dämon nach schwarzen Spuren. Sie hielten sich in der Regel nur kurze Zeit, mußten frisch sein, wenn Mr. Silver sie bemerken sollte.
Von kobaldblauem Himmel und grellem Sonnenschein war keine Rede mehr. Der Schnee verdunkelte den Tag, und mörderische Naturgewalten brausten über das Land. Man konnte keine zehn Meter weit sehen. Mr. Silver nahm seine Magie zu Hilfe, um sich zu orientieren und den nördlichen Kurs beizubehalten.
Die Polarhunde stemmten sich trotzig gegen den Sturm und zogen den Schlitten unermüdlich über den Schnee. An den Wimpern und Augenbrauen des Ex-Dämons hingen weiße Eiskristalle.
Er sah aus wie »Väterchen Frost« persönlich. Ein Glück, daß das Schlechtwetter erst jetzt über das Land hereingebrochen war, sonst hätte der Hubschrauber in Godthab nicht starten können.
Plötzlich…
Schwarzmagische Spuren! Spuren von Vierbeinern! Vor kurzem mußten die Kristallwölfe hier gewesen sein! Mr. Silvers Jagdtrieb erwachte.
Die Schlittenhunde hatten noch nichts bemerkt. Noch ließen sie sich von ihm antreiben und lenken, doch es dauerte nicht mehr lange, bis der Leithund die Gefahr witterte, und er steckte die anderen Hunde mit seiner Angst an.
Ihr Eifer ließ rasch nach. Sie kläfften aufgeregt, blieben stehen, duckten sich und fingen an zu winseln. Mr. Silver verzichtete darauf, sie weiter anzutreiben.
Er sprang vom Schlitten. Die Polarhunde legten sich in den Schnee und ließen den Sturm über sich hinwegbrausen. Schnee und Kälte machten ihnen nichts aus. Sie waren das gewöhnt.
Der Leithund blickte Mr. Silver furchtsam an. Der Ex-Dämon tätschelte den Kopf des Tiers und sprach beruhigende Worte, dann richtete er sich auf und setzte den Weg zu Fuß fort.
Weit konnte es nicht mehr sein. Bald würde er sein Ziel erreicht haben. Der Schneesturm versuchte ihn immer wieder umzustoßen, doch der Hüne stand sehr gut auf seinen Beinen.
Mit festem, entschlossenem Schritt marschierte er durch das undurchdringliche, heulende, brausende Weiß, das allem Lebenden feindlich gesinnt war.
Mr. Silver entdeckte immer mehr schwarzmagische Spuren. Er rechnete damit, daß er gleich auf
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