101 London - Geheimtipps und Top-Ziele
Gefängnis mangelte es an der Hygiene, es war ungeheizt, von Ungeziefer verseucht, und viele Insassen starben an Krankheiten. Das Newgate Prison fand in der englischen Literatur häufige Erwähnung, vor allem in den Romanen von Charles Dickens (s. Kap. 31 ). Dickens besuchte das Gefängnis oft und war erschüttert über die Ausweglosigkeit der Schicksale, die er hier beobachtete.
In Newgate befanden sich auch die Zellen, in denen zum Tode Verurteilte auf ihre Hinrichtung warteten. Bis 1783 fanden die Exekutionen zuerst in Smithfield (s. Kap. 29 ) und dann an dem öffentlichen Galgen in Tyburn statt, von 1783 bis 1858 jedoch direkt außerhalb von Newgate. Diese Ereignisse zogen eine große Menschenmenge an. Es gab Gasthäuser, die ausschließlich von dem so erzeugten »Tourismus« lebten. Die Viktorianer aber fanden diese Spektakel nicht mehr zeitgemäß. Anstatt die Todesstrafe abzuschaffen,verlegten sie die Exekutionen jedoch lediglich in den Innenhof. Im Jahr 1902 schließlich wurde das Gefängnis geschlossen.
Zwischen 1904 und 1907 entstand auf dem Gelände des Newgate Prison und des ehemaligen Old Bailey das neue Gebäude, das man heute sieht. Aus dem Innenhof erhebt sich ein Turm mit einer runden Kuppel. Auf ihr steht eine vergoldete Justitia, in der einen Hand ein Schwert, in der anderen eine Waage. Über dem Eingang befindet sich das Motto »Beschütze die Kinder der Armen und bestrafe den Übeltäter«.
Hehres Ziel: das Motto über dem Eingang des Old Bailey
Als einer der wichtigsten Gerichtshöfe im Land hat der Old Bailey medienwirksame Prozesse gesehen, beispielsweise den des Mörders Dr. Crippen im Jahr 1910, ebenso die Verurteilung der Kray Twins (s. Kap. 8 ) und 1981 die des als »Yorkshire Ripper« bekannten Serienmörders Peter Sutcliffe.
Die Gerichtsverhandlungen sind für die Öffentlichkeit zugänglich, was heutzutage aufgrund des begleitenden Medienspektakels Kritik hervorruft. Im Erdgeschoss befindet sich eine Ausstellung über die Geschichte von Newgate und Old Bailey. Auch einen Teil der alten Stadtmauer kann man im Untergeschoss unter den Zellen besichtigen. Im Ersten Stock gibt es eine Dokumentation über Ereignisse der neueren Geschichte, als der Old Bailey im Jahr 1973 Ziel eines Terroranschlags der IRA wurde: Eine Autobombe explodierte vor dem Gebäude und richtete großen Schaden an. Ein Stück Glas, das von der Explosion zurückblieb, steckt noch in der Wand. Viele IRA-Mitglieder wurden hier im Laufe der Jahre verurteilt.
INFO
Hinkommen: U-Bahn St. Paul’s, Central Line.
Information:
The Old Bailey Newgate Street & Old Bailey, Tel.: 7248-32777, www.oldbaileyonline.org . Zuschauergalerie geöffnet Mo–Fr 10–13, 14–16.30 Uhr.
Kinder unter 14 Jahre nicht erlaubt.
Essen & Trinken: Viaduct Tavern, 126 Newgate Street, Tel.: 7600-1863. Geöffnet Mo–Fr 11–23 Uhr. Dieser luxuriös mit Spiegeln und Gemälden ausgestattete viktorianische Pub aus dem Jahr 1870 grenzt an das Gelände, das einst vom Newgate Prison eingenommen wurde. Im Keller soll sich noch eine Kerkerzelle befinden, die man auf Anfrage besichtigen kann.
Chronist der viktorianischen Zeit: Charles Dickens
Charles Dickens (1812–1870) ist einer der beliebtesten und meistgelesenen Schriftsteller Großbritanniens. Seine Lebensgeschichte und seine Literatur sind eng mit der Stadt London verbunden. Sein besonderer Verdienst ist, dass er die Lebensumstände im viktorianischen London in vielen Romanen plastisch zu Papier brachte. Denn durch die Industrialisierung im 18. Jh. entstanden viele soziale Probleme, die durch den rapiden Bevölkerungszuwachs in der Stadt hervorgerufen wurden.
Auch Charles Dickens hatte keinen einfachen Start im Leben. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verbrachte sein Vater mehrere Jahre im Marshalsea Gefängnis (Southwark), und Charles musste bereits als zehnjähriger Junge in einer Schuhfabrik arbeiten. Diese Erfahrungen verhalfen ihm zu Verständnis und Sympathie gegenüber den Menschen, die in den Londoner Slums des East Ends lebten. Er besuchte die Orte des Geschehens, wie beispielsweise das Newgate Prison und beschrieb als politischer Journalist aus erster Hand, wie es dort zuging. Sein Mitgefühl mit den benachteiligten Klassen zeigt sich in allen seinen Schriften, vor allem auch in den Protagonisten seiner Romane, die immer ein hartes Schicksal erleiden müssen und denen oft bereits als Kindern oder Jugendlichen ein schier untragbares Los aufgebürdet wird – wie beispielsweise
Weitere Kostenlose Bücher