101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
damit du weißt, dass Weiberlist und Weibertücke ungeheuerlich sind und kein Mann dem je gewachsen war.»
Als der König das hörte, befahl er, dass sein Sohn nicht getötet würde.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die fünfundsechzigste Nacht
~ Und so, mein Gebieter, sagte sie, ~ geht die Geschichte weiter:
Am vierten Tag kam die Frau wieder. Sie hatte ein Messer bei sich. «Majestät», sagte sie, «wenn du mir nicht mein Recht verschaffst gegen dieses Kind, nehme ich mir das Leben. Ich hoffe aber, dass Gott mir gegen deine Wesire beisteht, so wie Er dem Königssohn gegen seinen Wesir geholfen hat.»
«Und wie trug sich das zu?», wollte der König wissen.
Da erzählte sie:
[Die Zauberquelle]
«Die Leute behaupten, dass es einmal einen König gab, der hatte einen Sohn, dem er die Tochter eines anderen Königs zur Frau geben wollte. Eines Tages sandte jener andere König, also der künftige Schwiegervater seines Sohnes, einen Boten zu ihm mit der Nachricht: ‹Schicke deinen Sohn zu mir, damit er hier eine Weile bei seiner Familie leben kann. Hernach wird er, so Gott will, wieder zu dir zurückkehren.› Der König ordnete also an, dass sein Sohn zu ihm reisen sollte, und schickte einen seiner Wesire mit ihm auf den Weg. Der Wesir brach mit ihm auf, und sie wanderten bis zu einer Quelle. Der Junge war schon sehr durstig.
Mit dieser Quelle aber hatte es folgende Bewandtnis: Trank ein Mann aus ihr, so verwandelte er sich in eine Frau, und trank eine Frau daraus, so wurde sie ein Mann. Dem Wesir war das bekannt, jedoch erzählte er dem Königssohn nichts davon.
‹Bleib hier, bis ich zurückkomme›, sagte der Wesir zum Königssohn, entfernte sich und ließ den Königssohn aus jener Quelle trinken. Da wurde der Königssohn zu einem Mädchen. Während er gerade so orientierungslos umherirrte, begegnete ihm ein Dschinnund fragte ihn, wer er sei, woher er komme und wohin er wolle. ‹Mit mir steht es soundso›, klagte der Königssohn und erzählte ihm seine Geschichte, nämlich wie er losgezogen war in das Land seines künftigen Schwiegervaters, des Königs. ‹Ich bin zusammen mit dem Wesir aufgebrochen, und wir sind bis zu dieser Quelle hier gekommen›, berichtete er. ‹Ich hatte Durst, habe getrunken und wurde in eine Frau verwandelt.› Da schloss der Dschinn mit ihm einen Bund und machte ihm folgenden Vorschlag: ‹Ich werde mich an deiner statt in ein Mädchen verwandeln, damit du zu deiner Familie gehen und dich mit deiner Frau vereinigen kannst. Danach kommst du zurück und verwandelst dich wieder in eine Frau, genau wie jetzt.› – ‹Einverstanden›, sagte er, und der Dschinn ließ es ihn versprechen und setzte ihm eine Frist. Dann zeigte er ihm den Weg. Der Königssohn ging davon, kam zu seiner Familie und vollzog die Ehe mit seiner Braut.
Als die Frist verstrichen war , kam ihm der Bund wieder in den Sinn, den er mit dem Dschinn geschlossen hatte. Er begab sich dorthin. Doch als er zu dem Dschinn gekommen war, fand er ihn schwanger vor. ‹W ie soll ich mich denn jetzt wieder an deiner Stelle in eine Frau zurückverwandeln, wo dich einer geschwängert hat?›, entrüstete er sich. ‹Als ich dich zurückgelassen habe, warst du noch Jungfrau!› Und sie begannen miteinander über die Angelegenheit zu streiten. Am Ende obsiegte der Königssohn, kehrte zurück zu seiner Ehefrau und führte sie heim zu seinem Vater. Dann erstattete er ihm über alles Bericht. Und der König befahl, jenen Wesir zu töten.
So wünsche ich mir, dass Gott mir gegen deine bösen Wesire beisteht. Denn wenn ich mir jetzt das Leben nehme wegen dieses Jungen, der mich so grausam misshandelt hat, wird mein sündhafter Selbstmord auf deinem Gewissen lasten.»
Da erteilte der König den Befehl, seinen Sohn zu töten.
Nun kam der vierte Wesir heran, befahl, den Sohn zurückzuhalten, und trat vor den König hin. «Majestät», sagte er, «es darf nicht sein, dass du irgendetwas unbedacht tust, ohne zuvor Rat einzuholen. Andernfalls wirst du es hinterher bereuen, so wie der Besitzer des Hammams es bereut hat.»
«Und wie trug sich das zu?», wollte der König wissen.
Da sagte er:
[Der Königssohn im Hammam]
« Die Leute behaupten , o König, dass es einmal einen König gab, der einen Sohn hatte. Dieser Sohn ging
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