101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
eines der Tiere zu stehlen. Er meinte kein fetteres und kein schöneres Tier finden zu können als den Löwen. Weil es so finster war, konnte er ihn ja nicht erkennen. Also ergriff der Dieb den Löwen, stieg auf seinen Rücken und machte seine Steigbügel auf ihm fest.»
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die siebzigste Nacht
~ Und so, mein Gebieter, sagte sie, ~ geht die Geschichte weiter:
«Der Dieb stieg also auf den Löwen. Der Löwe aber sprach zu sich selbst: ‹Das ist eine fette Beute!› und rannte los. Nun versuchten beide, ihre Beute in Sicherheit zu bringen, und waren umeinander besorgt. Als der Morgen graute, trug ihn der Löwe zu einem Baum. Der Dieb ergriff einen Ast, hielt sich daran fest und blieb dort hängen. Der Löwe aber lief weiter. Da begegnete ihm ein Affe. ‹W as hast du, Abulhârith?›, sprach der Affe den Löwen an. ‹W arum bist du so außer dir?› – ‹Ich habe heute Nacht eine Beute gefangen und bin damit bis zum Morgen gelaufen›, erwiderte der Löwe . ‹Und wo ist deine Beute?›, erkundigte sich der Affe. ‹Auf dem Baum dort›, entgegnete der Löwe und blieb stehen, um zu sehen, was der Affe tun würde.
Als der Affe den Menschen im Baum sitzen sah, kletterte er zu ihm hinauf, schwang sich in die Höhe, bis er über seinem Kopf saß, und machte dem Löwen Zeichen, dass er herankommen sollte. Und der Löwe pirschte sich heran. Der Affe aber saß so dicht über dem Mann, dass seine Hoden diesem auf den Kopf herunterbaumelten. Da packte der Mann die Hoden des Affen und zog daran, so heftig er konnte. Der Affe stieß einen Schrei aus, wurde ohnmächtig und starb. Der Mann warf den Affen vom Baum herunter. Als der Löwe das sah, floh er und rannte um sein Leben.
Genauso, wie Gott diesem Mann gegen den Affen geholfen hat, hoffe ich, dass Er mir gegen deine bösen Wesire beistehen möge», schloss sie ihre Erzählung und sagte dann: «Ich trinke jetzt dieses Gift, und dann wird mein sündhafter Selbstmord auf deinem Gewissen lasten.»
Da erteilte der König den Befehl, seinen Sohn zu töten.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die einundsiebzigste Nacht
~ Einverstanden, sagte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
Nachdem er den Befehl erteilt hatte, seinen Sohn zu töten, kam der sechste Wesir, ordnete an, dass er zurückgehalten würde, und trat vor den König hin. «Majestät», sagte er. «Hättest du keinen Sohn, so würdest du wohl zu Gott flehen, dass Er dir einen Sohn schenken soll. Nun hat dir Gott einen Sohn geschenkt. Wie kannst du da befehlen, deinen Sohn zu töten? Noch dazu auf die Worte einer Frau hin, von der du noch nicht einmal weißt, ob sie die Wahrheit spricht oder lügt!
[Der Fischer beim König]
Genausowares,wiedieLeutebehaupten,mitdemFischer,dereinmaleinenFischzueinemKönigbrachte.DemKöniggefielderFisch,underließdemFischerviertausendDirhamdafüraushändigen.DasagteseineGemahlinzuihm:‹MeinHerr,washastdudagetan?DuzahlstihmviertausendDirhamfüreineneinzigenFisch?› – ‹Ichhabeesnuneinmalbezahlt›, verteidigte er sich . ‹W ennermorgenwiederzudirkommt›,sagtesie,‹dannstelleihmdieseFrage:‚WarderFisch,dendumirgebrachthattest,einMännchenodereinWeibchen?‘Undwennerdannsagt:‚EinWeibchen‘,sobefiehlihm:‚BringmirdasMännchendazu!‘,undsagt er: ‚Es war ein Männchen‘, dann befiehl ihm: ‚Bring mir sein Weibchen!‘›
Am nächsten Tag kam der Fischer wieder. Der König stellte ihm genau die Frage, die das Mädchen ihm aufgetragen hatte. ‹Gott möge dem König Gedeihen schenken und ihn versöhnen!›, wünschte der Fischer und antwortete dann: ‹Der Fisch war noch Jungfrau und hatte kein Männchen!› Da ließ er ihm achttausend Dirham auszahlen.
Der Fischer ging mit dem Geld hinaus. Noch innerhalb des Palasts fiel ihm ein Dirham hinunter, und er hob ihn auf. Das sah die Gemahlin des Königs und dachte bei sich: ‹Ich habe noch nie einen unverschämteren, unverfroreneren und dreisteren Menschen gesehen als diesen Fischer. Ein einzelner Dirham ist ihm heruntergefallen aus einer so großen Menge
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