101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die zweiundsiebzigste Nacht
~ Einverstanden, mein Gebieter, sagte sie. ~ Und so geht die Geschichte weiter:
« ‹W as soll ich mir denn von Gott wünschen?›, fragte der Mann seine Ehefrau. ‹Ihr Männer habt ja doch nichts anderes als Frauen im Kopf›, antwortete sie ihm. ‹Also wünsche dir mit dem ersten Gebet, dass Gott dich von Kopf bis Fuß mit Penissen bestückt.› Er wünschte es sich, und sein Wunsch ging in Erfüllung.
Als er sich die Sache aber ansah, bereute er es. ‹Sei nicht traurig›, tröstete ihn seine Ehefrau. ‹Du hast ja noch zwei Wünsche frei. Sprich also das zweite Gebet und wünsche dir, dass die Penisse wieder verschwinden.› Da verschwanden alle miteinander, und er hatte gar keinen Penis mehr. Das tat ihm leid, und er bereute es noch mehr. ‹Du hast ja noch einen Wunsch übrig›, beruhigte ihn seine Frau. ‹Also bitte Gott, dass er dir den ersten wiederbringt, selbst wenn er schief und krumm wäre.› Er wünschte es sich, und der Penis kam zurück, ganz schief und krumm gebogen. So waren die drei Wünsche dahin. Das kommt davon, wenn man auf die Frauen hört.
Ich werde dir noch etwas erzählen, o König, was mir über die List und Verschlagenheit der Frauen zu Ohren gekommen ist.
[Der Frauenforscher]
Ein Mann wollte die Tücke der Weiber erforschen und begab sich zu diesem Zweck auf eine Reise. Er kam in ein Dorf. Dort traf er einen Mann, der gerade ein großes Gastmahl vorbereitete und das ganze Dorf dazu eingeladen hatte. Er mischte sich unter die Eingeladenen und trat herzu. Als der Hausherr ihn bemerkte, sprach er ihn an: ‹W er bist denn du, unbekannter Gottesknecht?› – ‹Ich bin ein Reisender und komme zufällig hier vorbei›, entgegnete er. ‹Ich komme aus dem und dem Land und suche das und das. Ich habe jetzt vierzig Tage lang nichts als Asche gesehen und Gerstenbrot mit Salz gegessen.› Als er ihm dies sagte, bekam der Gastgeber Mitleid mit ihm. Er bat ihn herein, führte ihn zu seiner Frau, erklärte dieser, was jener erlebt hatte, und trug ihr auf, ihm zu essen und zu trinken zu geben.
Die Frau fing gleich an , den Gast auszufragen über alles, was er wusste. Er berichtete ihr, dass er sich die List und Tücke der Weiber genau eingeprägt und alles in einem Buch verzeichnet habe. Ihr war sofort klar, dass er ein Hohlkopf war. Sie lud ihn ein, Platz zu nehmen, gab ihm zu essen und zu trinken und zog ihn dann in ihre Nähe. ‹Ich habe gehört, wie du gesagt hast: ‚Ich kenne alle Listen und ungeheuerlichen Tücken der Weiber‘›, raunte sie ihm zu. ‹Also geziemt es sich nicht, dass irgendeine Frau ihre Geschichte vor dir verbirgt. Ich kann dir nämlich mitteilen, dass mein Mann seit Jahren nicht mehr zu mir kommt und nicht mehr mit mir verkehrt. Darum möchte ich, dass du jetzt aufstehst und die Sache in die Hand nimmst. Du sollst deine Lust an mir befriedigen und ich die meinige an dir. Also los!› – ‹Einverstanden›, sagte er und machte sich an sie heran.
Als er schon auf ihrem Brustkorb saß und heftige Lust auf sie verspürte, stieß sie plötzlich einen lauten Schrei aus und schüttelte ihn von ihrer Brust ab, wo er gesessen hatte, sodass er nun auf den Schenkeln der Frau zu liegen kam. Vor Angst war sein Verstand davongeflogen, die Sinne schwanden ihm, und seine Flanken bebten.»
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die dreiundsiebzigste Nacht
Er spricht:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
«Der Mann verharrte in dieser Stellung so lange, bis alle Dorfbewohner zusammengelaufen waren. ‹W as ist dir passiert?›, fragten sie die Frau. ‹Ich habe diesem Mann hier zu essen gegeben›, erklärte sie. ‹Er hat einen Bissen gegessen und sich daran verschluckt. Er hat keine Luft mehr bekommen, und die Augen sind ihm herausgetreten. Da habe ich Angst bekommen, dass er
Weitere Kostenlose Bücher