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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Der Wesir blieb allein zurück und begann wieder über sich nachzugrübeln.
    Wie er gerade so dasaß, tauchte plötzlich am Herbergstor der Diener des Kalifen mit einem Reittier auf. Er trug ein Tuch bei sich, in das allerhand Sachen eingeschlagen waren. «Ist gestern bei dir ein Mann abgestiegen, der sich Ibn Abilkamar nannte?», fragte er den Gastwirt.
    «Nein», entgegnete der, «gestern ist nur ein armer Habenichts bei mir abgestiegen, und zwar in diesem Zimmer hier. Die Miete hat einer der Kaufleute für ihn bezahlt, als Almosen für Gottes Lohn.»
    Er berichtet weiter:
    Der Diener ging auf das Zimmer zu. Als der Wesir ihn erblickte, bekam er furchtbare Angst vor ihm.
    «Keine Angst, mein Herr», beruhigte ihn der Diener. «Du hast die Gunst meines Gebieters wiedererlangt. Er hat deine Feinde ans Kreuz geschlagen, nachdem ihm klar wurde, dass du im Recht warst und sie dich fälschlich einer Sache bezichtigt hatten, die du nicht getan hast. Jetzt steig auf dieses Reittier, mein Herr», forderte ihn der Diener auf, «und lege dieses Gewand an.»
    Der Wesir erhob sich unverzüglich, legte die Kleider an, nicht ohne zuvor Gott, den Erhabenen, gebührend zu loben und zu preisen, bestieg das Reittier und ritt in Begleitung des Dieners zurück bis in die Nähe der Stadt. Der Diener durchquerte mit ihm die Plantagen und Gärten des Kalifen Abdalmalik.
    Als der Wesir beim Kalifen eintrat, erhob sich dieser zu seinen Ehren, umarmte ihn und schüttelte ihm versöhnlich die Hand. «W esir», sprach er zu ihm, «alles, was ich an Plantagen und Gärten besitze, schenke ich dir als Entschädigung für den Fehler, den ich an dir begangen habe, und dafür, dass ich den Leuten die üble Nachrede wider dich geglaubt habe.»
    Es wird erzählt:
    Und der Wesir nahm alles, was ihm der Kalif geschenkt hatte, und kehrte damit in sein Haus zurück.
    Nun wollte es die Vorsehung Gottes, des Erhabenen, dass der Kaufmann, der Freund des Wesirs, eines Tages mit einer Karawane auf Reisen ging und diese Karawane unterwegs von einer Räuberbande überfallen wurde. Die Räuber rissen die Reisenden von ihren Tieren und raubten ihnen alles, was sie besaßen. Dem Kaufmann blieb gar nichts, weder weniges noch vieles.
    «Bei Gott», sprach da der Kaufmann zu sich selbst, «ich werde in die Stadt gehen. Vielleicht finde ich ja dort jemanden, der mir etwas ausborgt, oder vielleicht, dass Gott mir gnädig ist und mir beschert, was Er für angemessen hält. Denn schließlich bin ich ein allseits bekannter und geachteter Kaufmann.»
    An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen.
    Die hundertunderste Nacht

    So spricht Faharâyis, der Philosoph:
    ~ Und so, mein Gebieter, sagte sie, ~ geht die Geschichte weiter:
    Der Kaufmann ging also auf die Stadt zu, und diese Stadt war Damaskus. Dabei durchquerte er die Plantagen und Gärten, die der Kalif dem Wesir geschenkt hatte. Während der Kaufmann so unglücklich und bedrückt vor sich hin trottete, ohne recht zu wissen, was er tun und wohin er sich wenden sollte, kam auf einmal der Wesir aus seinem Garten geritten. Er schlug den Weg zu seinem Haus ein. Der Kaufmann sah ihn, und als der Wesir in seine Nähe kam, erkannte er ihn wieder. «Ist das nicht mein Freund, an dem ich das und das getan habe?», sprach der Kaufmann zu sich selbst. «Bei Gott, ich werde mich ihm in den Weg stellen. Vielleicht tut er mir ja etwas Gutes.»
    Er berichtet weiter:
    Der Kaufmann stellte sich ihm in den Weg. Der Wesir aber kam nicht auf ihn zu, ja er erkannte ihn nicht einmal. Der Grund dafür lag in der Vielzahl der Menschen, die ihn begleiteten, und weil nicht nur er selbst sich verändert hatte, sondern auch der Kaufmann heruntergekommen aussah. «Ich werde ihn daran erinnern, wer ich bin», sprach der Kaufmann zu sich selbst. «V ielleicht gibt er mir dann aus Mitleid etwas.» Und er fragte einen der Umstehenden nach ihm. Man erklärte ihm, es handle sich um den Wesir des Kalifen, und erzählte ihm seine Geschichte.
    Der Kaufmann folgte dem Wesir, bis er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie er in seinem Wohnhaus verschwand. Da griff der Kaufmann zu einem Stück Papier und schrieb zwei Verse darauf, mit denen er den Wesir an die Verse erinnern wollte, die jener in der Herberge gesungen hatte. Und dies sind die Verse, die er niederschrieb:
    [ Wâfir ]
    «Sprich zum Wesir: Du hattest etwas vergessen,
    Jetzt wird es aus dem Gedächtnis ausgegraben.
    Stets sprichst du zu mir in deinen

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