101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
trüben Stunden:
‹W ird hier ein Tod verkauft? Ich will ihn haben!›»
Es wird erzählt:
Nachdem er das Gedicht fertig geschrieben hatte, übergab er den Zettel dem Dienstboten des Wesirs und sagte dazu: «Bring diesen Zettel zu deinem Herrn!» Der Diener begab sich zu seinem Herrn und überreichte ihm den Zettel. Dieser las ihn und wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Sogleich kam er heraus zu ihm, schüttelte ihm die Hand und umarmte ihn. «Bei Gott», sagte er dazu, «ohne den Jungen hier hättest du nicht zu mir gefunden.» Mit diesen Worten führte er ihn hinein, ließ ein prächtiges Festmahl für ihn bereiten und beschenkte ihn mit allem, was der Kalif ihm zuvor übereignet hatte. Dann führte er ihn zum Kalifen. «Dies ist der Mann, von dem ich dir erzählt hatte», stellte er ihn vor und fügte hinzu: «Ich habe ihm alles geschenkt, was ich von dir zum Geschenk erhalten hatte.»
Es wird erzählt:
Der Kalif wies dem Kaufmann aus Dankbarkeit für das Gute, das er, ohne es zu wissen, an seinem Wesir getan hatte, einen Ehrenplatz zu. Seine Töchter verheiratete er mit Söhnen von Kaufleuten. Den Kaufmann holte der Kalif in seine Nähe.
Fortan blieben er und der Wesir verbunden wie zwei Brüder, bis das sichere Ende sie ereilte. Lob sei Gott, dem Herrn der Weltbewohner!
~ Mein Herr, sprach Danisad nun zum König, ~ Schahrasad, deine Gattin, ist schwanger. Vielleicht wird dir Gott durch sie einen Sohn bescheren, an dem dein Auge sich kühlen und deine Seele sich erfreuen kann.
Da begnadigte der König Schahrasad und ließ sie fortan unter ihren Mädchen und Dienerinnen das angenehmste Leben führen. Lob sei Gott, dem Herrn der Weltbewohner!
Damit ist die Geschichte von Hundertundeiner Nacht zu Ende.
Lob sei Gott, dem Erhabenen, und Dank für Seine Hilfe und den Erfolg,
den Er gewährt.
Gelobt sei Gott, der Herr der Weltbewohner!
Zur Übersetzung
Auf den folgenden Seiten soll ein Einblick in die Leitlinien gegeben werden, die dieser Übersetzung zugrunde liegen. Die Phänomene und Probleme, vor denen die Übersetzerin auf der Seite des arabischen Originals stand, werden ebenso erläutert wie die jeweils im konkreten Fall für die deutsche Übersetzung gewählten Lösungen. Hierbei wird auch deutlich, dass jede Übersetzung nur eine von unzähligen Möglichkeiten darstellt, dieselbe Textvorlage zu übertragen. An das Original werden wir dabei nie herankommen. Wir können es bestenfalls in einer anderen Sprache, einer anderen Zeit, vor dem Hintergrund einer anderen Kultur und Literatur neu interpretieren.
Zusammensetzung der Textvorlage
Die vorliegende Übersetzung von Hundertundeine Nacht basiert auf dem Text der Handschrift des Aga Khan Museum ( AKM 00513). Ich folge diesem Original, soweit der Text erhalten und leserlich ist, also vom Anfang des Buches bis zum unvermittelten Abbruch des Manuskripts in der 85. Nacht, mitten in der Geschichte vom Ebenholzpferd.
Zunächst musste darum eine Entscheidung getroffen werden, nach welcher Vorlage die restlichen sechzehn Nächte sowie der Schluss der Rahmenerzählung übertragen werden sollten. Hierfür boten sich die sechs Originalhandschriften des 18. und 19. Jahrhunderts an. Drei von ihnen werden in Paris, zwei in Tunis aufbewahrt. Diese fünf Originale waren schon im Jahr 1979 durch den tunesischen Arabisten Ma ḥ mūd Ṭ aršūna zu einer bis heute in Fachkreisen renommierten Edition zusammengefasst worden. 1 Der Text der Edition Ṭ aršūna läuft mit dem der Aga-Khan-Handschrift in großen Teilen so weit parallel, dass ein Anschluss an der Stelle des Textabbruchs unproblematisch war.
Die Edition Ṭ aršūna hat jedoch den Nachteil, dass sie getreu ihrer Leithandschrift Paris BnF arabe 3662 auf einen narrativen Schluss ganz verzichtet. Den erzählerischen Bogen zum Beginn der Rahmengeschichte spannt dagegen die 1884 in den Besitz der Pariser Nationalbibliothek gelangte Handschrift Paris BnF arabe3661 , deren Text mit der erst vor einigen Jahren durch den algerischen Literaturwissenschaftler Šuraybi t Ahmad Šuraybi t veröffentlichten Edition einer sechsten, in Algier aufbewahrten Handschrift von Hundertundeine Nacht (datiert 1836) weitgehend übereinstimmt. 2 Am Ende der Rahmengeschichte wurde die kurze Passage, in der von Schahrasads Schwangerschaft berichtet wird, auf der Grundlage dieser beiden hier wortgleichen Versionen in die deutsche Übersetzung übernommen.
Alle übrigen notwendigen Ergänzungen bei Ausfällen von Worten,
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