1011 - Laurins Totenwelt
war.
Bills ausgestreckter Zeigefinger wies dorthin. »Zur Not schaue ich mal nach.«
»Aber später bitte.«
»Sicher.« Bill hatte die Tür bereits erreicht und eine Hand auf die Klinke gelegt. Da dieser Flur fensterlos war, hatten die Conollys die Haustür nicht geschlossen, und so drang noch genügend Tageslicht hinein.
Bill lächelte Sheila beruhigend zu, als er die Tür öffnete. Er bewegte sich dabei langsam und vorsichtig und blieb zunächst noch an der Schwelle stehen.
»Siehst du was?«
»Scheint ein Wohnraum zu sein, der ziemlich dunkel ist.«
»Gibt es denn kein Fenster?«
»Doch. Nur ist es zugezogen worden.«
»Geh nicht weiter, Bill!« Sheila hatte plötzlich ein besorgtes Gefühl bekommen.
»Warum nicht?«
»Nein, ich…«
»Komm, wir müssen weitersuchen. Es ist ja nur kurz. Außerdem ist das Zimmer leer.« Er winkte Sheila zu, ihm zu folgen, was sie auch zögernd tat.
Sie fand ihren Mann mitten im Zimmer stehend. Er hatte schon einen Vorhang zur Seite gezogen, damit zumindest an einer Stelle Tageslicht in die düstere Höhle fließen konnte.
Ein Bett, ein Schrank, ein steinernes Waschbecken, ein Tisch und vier Stühle. Nackte Wände ohne Bilder. In der Ecke ein Kamin, aus dem es nach kalter Asche roch.
»Das war wohl ein Schuß in den Ofen«, bemerkte Bill. »Es ist niemand da. Pech gehabt.«
»Bringt uns das weiter?«
»Nein, vielleicht nicht. Aber ich kann mir vorstellen, und es ist sogar wahrscheinlich, wenn ich darüber nachdenke, daß dieser Caprio zusammen mit den anderen in irgendeinem Gasthaus hängt und das Fell des Toten versäuft.«
»Nein, Bill, nein!« widersprach Sheila sofort. »Das kann ich auf keinen Fall glauben.«
»Warum denn nicht?«
»Weil andere Dinge wichtiger sind. Die Angst der Leute. Ich denke nicht, daß einer von ihnen gern feiern will. Nie…«
»Dann ist er eben woanders im Ort unterwegs.«
»Das kann schon sein.«
Bill dachte einige Sekunden lang nach und nickte schließlich.
»Gut, dann machen wir uns jetzt auf den Weg zu Laurins Felsengesicht.« Er ging auf seine Frau zu, drückte ihr die Hand in den Rücken, um Sheila vorzuschieben, aber sie blieb stehen, und das in einer angespannten Haltung.
»He, was hast du?«
»Da war etwas!« hauchte sie.
Deutlich konnte Bill den Schauer auf ihrem Gesicht erkennen.
»Und was ist da gewesen?«
»Ich habe ein Geräusch gehört.«
»Unsinn, Sheila. Das hast du dir eingebildet.«
»Nein, habe ich nicht. Hier im Haus, nicht hier im Zimmer.«
»Schritte?«
Sie hob die Schultern. »Nein, das nicht. Es war etwas anderes. So genau kann ich es auch nicht definieren. Als hätte etwas geklappt oder geschabt.«
»Okay, dann laß uns mal nachschauen. Aber ich gehe zuerst.«
Da hatte Sheila nichts dagegen. Sie schaute auf den Rücken ihres Mannes. Er verließ das Zimmer, blieb im Flur stehen und schaute sich dort um.
»Und?«
»Nichts zu sehen, auch nicht an der Tür. Du kannst ruhig kommen. Das war sicherlich ein Tier, das an der Hauswand gekratzt hat. Da kann man sich leicht irren.«
»Kann sein.« Überzeugt war Sheila nicht. Sie blickte sich im Flur ebenfalls um, aber sie schaute auch nach oben - und aus ihrem Mund löst sich ein leiser Schrei.
»Da, die Luke!«
Bill fuhr herum. Es stimmte. Die Luke am Ende der Stiege war nicht geschlossen. Derjenige, der sie geöffnet hatte, mußte sich auf diesem schmalen Boden befinden, und er hatte sich bisher gut versteckt gehalten.
Bill blieb neben der Stiege stehen und legte seine Hand auf das Holz. Dann schaute er die Stufen hoch. Hinter dem viereckigen Ausschnitt war es düster. Nicht völlig finster, denn von irgendwoher fiel trotzdem Licht hinein.
»Was jetzt?«
»Hm.« Bill runzelte die Stirn. »Es interessiert mich schon, wer sich da oben versteckt hält und warum er das getan hat.«
»Das ist doch klar. Cesare Caprio wird Angst gehabt haben.«
»Wäre die einzig mögliche Erklärung.«
»Das ist sie sogar.«
»Warum meldet er sich nicht?«
»Willst du ihn fragen?«
»Ja, ich hoffe, daß er uns antwortet, denn er soll wissen, daß wir auf seiner Seite stehen.«
»Dann mach mal.«
»He!« rief Bill halblaut die Stufen der Stiege hoch. »Signore Caprio, hören Sie mich?«
Sie erhielten keine Antwort.
Bill versuchte es dreimal. Er erklärte auch, daß niemand Angst zu haben brauchte. »So«, sagte er dann zu Sheila gewandt. »Jetzt bin ich es leid.«
»Was bist du leid?«
»Ich steige hoch.«.
»Und dann?«
»Schaue ich mich um, denn ich
Weitere Kostenlose Bücher