1015 - Henkeraugen
auch nicht, aber ich muß nicht gerade sagen, daß sie mir sehr sympathisch sind.«
»Ach, das ist auch nicht nötig.« Sarah winkte ab, als wäre ihr das Gespräch peinlich.
Mein Mißtrauen hatte sich noch nicht gelegt. Ich glaubte, daß mehr hinter dieser Begrüßung steckte, und erkundigte mich nach dem Namen des Ehepaars.
Die Antwort bekamen wir noch vor dem Servieren des Weins und der Vorspeise. »Das sind Julia und Caspar Chesterton. Ziemlich reiche Leute, die außerhalb der Stadt wohnen und einen elfjährigen Sohn haben.«
»Ist der so wichtig?« fragte Glenda, »weil du es besonders betont hast.«
»Ja, das ist er. Er heißt Eugen, und es ist der Junge, für den Jane Babysitter spielt…«
***
Beinahe wäre mir das Champagnerglas aus der Hand gerutscht. So überrascht war ich. Im letzten Moment faßte ich nach und konnte es noch festhalten.
»Hast du was?« erkundigte sich Sarah harmlos und schaute mich lächelnd an.
»Nein, was sollte ich denn haben?«
»Ich meinte nur.«
»Spielen wir jetzt für die Eltern den Babysitter?«
Die Horror-Oma schüttelte den Kopf. Der listige Ausdruck in den Augen aber blieb. »Wie kommst du darauf?«
»Weil dieses Treffen hier sicherlich kein Zufall ist und du alles wunderbar in die Wege geleitet hast.«
Sarah tat sehr unschuldig. »Was sollte ich denn in die Wege geleitet haben?«
»Das wirst du uns bestimmt gleich erklären.«
Zunächst einmal wurde die Vorspeise serviert.
Auch der Wein, den ich probieren durfte. Ich nickte – was hätte ich auch sonst tun sollen? – dann zog sich der Ober zurück.
Wir hoben unsere Gläser an und tranken auf einen wunderschönen Abend, wie Sarah sagte.
Ich war da eher skeptisch, und auch Glenda hatte ihren Mund säuerlich verzogen.
Dann aßen wir.
Schon nach dem ersten Bissen steckte ich manches Vorurteil weg, was diese Sterne-Küche hier anging. Die Mischung aus Spargelspitzen und Wildlachs war wirklich ausgezeichnet. Der Wein dazu rundete den Genuß ab, aber meine Gedanken liefen umher wie Fremdkörper. Ich war nicht davon überzeugt, daß dieses Essen hier völlig normal ablief und so harmlos war.
Die Stimmung war zwar nicht gedrückt, aber Glenda und ich spürten, daß Sarah uns etwas verschwieg. Sie stocherte zwar nicht lustlos in der Vorspeise herum, aber sie war auch nicht so fröhlich und aufgeschlossen wie sonst.
Dann legte sie ihr Besteck für einen Moment zur Seite. »Ich weiß gar nicht, was ihr mir anhängen wollt. Ich habe es nur gut gemeint, und daß wir die Chestertons hier getroffen haben, hatte nichts mit einem Zufall zu tun.«
»Also doch!« stellte ich kauend fest. »Ich habe es schon geahnt.«
»Riecht es nach Ärger?« fragte Glenda direkt.
»Nein, Kind, so darfst du das nicht sehen. Ich habe den Chestertons nur einen Gefallen getan.«
»Einen zweimaligen«, sagte ich.
»Wieso?«
»Einmal hast du doch Jane zu Eugen geschickt, damit sie auf ihn achten soll, und zum zweiten sitzen wir hier fast mit den Eltern zusammen, so daß wir das Gefühl haben können, auf die Personen aufzupassen. Oder irre ich mich da?«
»Ich denke nicht.«
»Hör auf, Sarah, und sag die Wahrheit.«
Sie aß erst ihren Teller leer. Dann nickte sie. »Ja, wir sind praktisch als Schutzengel eingeteilt worden, denn die Familie Chesterton fühlt sich bedroht.«
»Ach…«
»Ja, John.« Sie hob die Schultern. »Ich kann es auch nicht ändern, aber es ist so.«
»Wer bedroht sie denn?«
Sarah runzelte die Stirn. »Das ist eine Sache aus der Vergangenheit. Es geht da um einen gewissen Rodney Chesterton, das Schwarze Schaf in der Familie, weil er als Henker seinen Lebensunterhalt verdient hat. Und ausgerechnet Eugen Chesterton ist es gelungen, mit dieser Person Kontakt aufzunehmen.«
»Wie konnte er das denn schaffen?« fragte Glenda. »Durch ein Medium? Ein Radio oder so…«
»Nein, durch ein Gemälde.«
»Nein.«
»Ich will euch erklären, was mit dem Jungen geschehen ist.« Sie räusperte sich und sprach mit leiser Stimme, während die leeren Teller abgeräumt wurden. Sarah war so tief eingeweiht worden wie auch Jane Collins, und so erfuhren wir, daß der Junge tatsächlich mit dem Ahnherrn Kontakt gehabt hatte, sich aber nicht vor ihm fürchtete und ihm sogar helfen wollte.
Seine Eltern hatten das nicht verstehen können und sogar einen Psychiater konsultiert, aber sie hatten Eugen nicht von seiner Meinung abbringen können.
Er mochte den Henker, der Henker mochte anscheinend ihn, und Eugen war der festen
Weitere Kostenlose Bücher