1017 - Die Sonne Satans
recht.«
»So enden unsere Fälle oft…« Die nächsten Worte ließ er unausgesprochen, doch ich wußte, was er meinte.
»Hier fangen sie erst an.«
»Und wer war dieser Mensch?«
Ich hob die Schultern. »Jedenfalls jemand, der gedacht hatte, er wäre stärker als die Macht des Guten. Er hat sich geirrt. Zum Glück. Leider wird er kein Einzelgänger gewesen sein. Ich rechne damit, daß noch andere Menschen herumlaufen, die von der Sonne Satans verbrannt worden sind.«
»Fragt sich nur, wo sie scheint?«
Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht in der Hölle?«
»Und, wo liegt die?«
»Keine Ahnung, Suko. Überall. Sie ist allgegenwärtig. Man muß sie nur zurückdrängen können.« Nach dieser Antwort kümmerte ich mich wieder um den Mann.
Er war nicht nur verbrannt, sein Körper hatte auch einen Schrumpfungsprozeß durchlebt. Er war kleiner geworden. Die schwarze Haut sah aus, als wäre sie mit Öl bestrichen worden.
Selbst die Augen waren nicht mehr zu sehen. Das Feuer mußte sie von innen heraus einfach zerfressen haben.
Keine angenehme Vorstellung, doch wir waren nicht da, um irgendwelchen Feinden nachzutrauern. Das Leben mußte weitergehen, und vor allen Dingen dieser Fall.
»Wir schaffen ihn raus, Suko. Ich möchte ihn nicht hier in der Kirche lassen.«
»Okay.«
Die zu große Kutte kam uns jetzt entgegen. Wir konnten sie wie eine Trage benutzen. Gemeinsam schleppten wir den verbrannten Körper aus der Kirche, die hoffentlich ihre alte Weihe wieder zurückerhalten hatte und von den Gläubigen betreten werden konnte.
Draußen war es noch nicht finster geworden. Aber die Dämmerung schickte ihre grauen Boten über den Himmel. Auch die Temperatur war etwas gesunken, so daß ich fröstelte.
Neben der Tür legten wir den Mann nieder. Wir würden ihn bei den Kollegen abliefern müssen, allerdings nicht in London, das lag zu weit entfernt, sondern bei denen in Wales, in der nächst größeren Stadt, wo es auch eine Gerichtsmedizin gab.
Sie interessierte mich nur am Rande. Für uns mußte einfach wichtig sein, wie dieser Mensch in eine derartige Lage hineingeraten war. Wie hatte er den Weg zur Sonne Satans gefunden? Daß dies geschehen war, glaubten wir ihm.
Aber er mußte auch identifiziert werden, und das würde bei seinem Aussehen schwerfallen. Es konnte auch einen Grund geben, daß er sich ausgerechnet diese Kirche ausgesucht hatte. Warum nicht eine andere?
Es gab viele Fragen, aber keine Antworten. Zumindest kamen wir ohne fremde Hilfe nicht weiter, und der einzige, der unter Umständen mehr wußte, war Lincoln, der Küster. Da wir sein Fahrrad noch sahen, konnten wir davon ausgehen, daß auch er sich hier aufhielt.
Wir hatten richtig getippt. Der Küster war noch da. Wir hörten ihn stöhnen, und als er sich dann aus dem Schatten der Kirchenmauer gelöst hatte, sahen wir, daß er mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Er sah nicht verletzt aus, obwohl er seine linke Hand gegen den Nacken gelegt hatte. Aber normal war er auch nicht.
Wir ließen ihn kommen, und als er stehenblieb, sahen wir auch den Schrecken auf seinem Gesicht. Er wirkte wie unter Schock.
»Was ist passiert?« fragte Suko.
»Ich bin gefallen.«
»Einfach so?«
»Nein.« Er ließ seinen linken Arm wieder sinken. »Nicht einfach so. Unter mir ist eine Kirchenbank zusammengebrochen. Ich habe mich auf sie gestellt, weil ich durch eines der Kirchenfenster schauen wollte, und das habe ich geschafft.«
»Was haben Sie gesehen?«
Der Mann schwieg. Er schaute Suko an, dann mich und schüttelte den Kopf. »Das kann ich kaum wiederholen. So etwas habe ich noch nie in meinem Leben durchgemacht. Ich habe Sie beide gesehen. Sie hielten sich ja vor dem Altar auf.«
»Stimmt. Und weiter?«
»Da war noch dieser Mann.«
»Mann sagen Sie?«
»Ja, der Mann in der Kutte.«
Suko hakte nach. »Sie haben ihn also trotz der miesen Lichtverhältnisse erkennen können? Ist das richtig?«
Der Küster nickte.
»Und weiter?«
Lincoln wußte nicht, wie er sich verhalten und was er antworten sollte. Er legte seine Hände gegeneinander, klammerte die Finger fest, er holte tief Luft und blickte zu Boden, wobei er den verbrannten Körper noch nicht entdeckt hatte.
»Ich kenne ihn«, gab er schließlich zu.
Wir waren überrascht, ließen uns allerdings nichts anmerken.
»Gut?« wollte Suko wissen.
»Na ja, nicht direkt.«
»Was ist mit seinem Namen?«
»Der ist mir bekannt. Er heißt Claudius. Pater oder Father Claudius.«
»Ein Priester?«
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