1017 - Die Sonne Satans
bewegen. Da war er schon engagiert.«
»Von wem wurde er geschickt?«
»Vom Bistum. Mit der Verwaltung habe ich nichts zu tun. Er war auch nur knapp drei Wochen bei mir. Da ist er mir ein guter Helfer gewesen, das muß ich sagen.«
»Wo ging er dann hin?«
»Hm, da fragen Sie mich was, Mr. Sinclair. Das kann ich Ihnen gar nicht mal so genau sagen. Ich weiß es einfach nicht. Er ist eigentlich sang- und klanglos verschwunden.«
»Hat Sie das nicht gewundert?« fragte Suko.
»Nein, nur ein wenig.«
»Warum?«
»Weil ich zu dem Zeitpunkt nicht da war. Ich mußte zu einem Kongreß nach Irland. Als ich zurückkehrte, war der gute Claudius nicht mehr in meiner Pfarrei.«
»Haben Sie Nachforschungen angestellt?«
»Sicher. Ich telefonierte einige Male mit der Bistumsverwaltung. Dort konnte man mir auch nicht weiterhelfen. Claudius hat sich nicht gemeldet. Er ist gewissermaßen abgetaucht, aber das ist irgendwie zu verstehen, denn er war eben unstet.«
»Ist Ihnen an ihm etwas aufgefallen?« bohrte ich weiter. »Hat er sich seltsam benommen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Irgendwelche Sprüche von sich gegeben? Über seine Berufung oder seinen Glauben laut nachgedacht und eventuell auch gezweifelt?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Es war nur eine Frage.«
»Die Antwort kann ich Ihnen geben, Mr. Sinclair. Es gab keinerlei Diskussionen zwischen uns, die sich in diese Richtung bewegt hätten. Hier war alles normal. Ich habe ihn als einen guten Hirten der Kirche angesehen, und er hat nichts getan, um meine Meinung zu verändern. Das muß ich Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen. Aber mich würde interessieren, warum Sie sich für Claudius so interessieren? Ist etwas vorgefallen? Ist er denn vom rechten Weg abgekommen, wenn Sie danach schon gefragt haben?«
»Wir suchen ihn wegen einer anderen Sache.«
»Aha.«
Ich wollte nicht mit der Wahrheit herausrücken und hatte auch den Küster unterwegs zum Schweigen verdonnert. Deshalb rückte ich auch jetzt mit einer Notlüge heraus. »Es geht um einen Fall, der ins Sektenmilieu hintreibt. Wir hörten, daß sich Claudius dort einigermaßen auskennt. Er sollte uns helfen.«
»Das ist mir neu, daß er sich mit dem Thema beschäftigt hat.«
»Sicher. Deshalb müssen Ihnen auch unsere Fragen etwas seltsam vorgekommen sein.«
»Da haben Sie recht, Mr. Sinclair.«
»Hat er mit Ihnen über seine Eltern oder seine Verwandten gesprochen?«
»Kaum. Seine Eltern leben noch beide. Irgendwo in der Nähe von Bath. Er hat auch hin und wieder mit ihnen telefoniert, aber über eine Verwandtschaft sprachen wir nie. Auch nicht über Hobbys. Wie schon gesagt, er war engagiert und hatte sehr viel zu tun. Wenn ich ehrlich sein soll, dann bedauere ich seinen Weggang noch heute.«
»Das kann ich verstehen.«
Der Pfarrer leerte sein Glas. »So leid es mir tut, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Vielleicht weiß man bei der Verwaltung mehr. Ich jedenfalls habe den Fall abgehakt und würde gern einen neuen Helfer bekommen, denn mit dem Nachwuchs in unserem Beruf sieht es nicht gerade gut aus.«
»Davon hörte ich.«
Miller nickte dem Küster zu. »Was ist denn mit Ihnen, Mr. Lincoln, Sie haben Claudius doch auch gekannt.«
Der Küster saß wie ein Häufchen Elend auf dem Stuhl. »Das stimmt, nur haben auch wir privat so gut wie nicht gesprochen, und über Sekten weiß ich auch nichts.«
»Dabei machte er nicht den Eindruck eines Einzelgängers«, erklärte der Pfarrer.
Suko stellte noch eine Frage. »Leben Sie allein oder haben Sie eine Haushälterin?«
»Allein. Manchmal kommt eine Frau aus dem Dorf. Sie putzt bei mir für Gotteslohn.« Er lächelte breit, und weitere Auskünfte bekamen wir nicht.
Es war inzwischen spät geworden. Nach London fuhren wir nicht mehr zurück. Wir verabschiedeten uns von Cyrus Miller und hielten unser Versprechen ein und brachten den Küster bis zur Kirche, wo er sein Fahrrad abholen konnte.
Er betrachtete das Gotteshaus sehr skeptisch. »Meinen Sie denn, daß jetzt alles in Ordnung ist?«
»Ja, darauf können Sie sich verlassen.«
»Ich weiß nicht, Mr. Sinclair. Ich habe das Gefühl, als wäre die Kirche entweiht worden, und ich glaube nicht daran, daß es noch so sein wird wie früher.«
»Machen Sie sich da keine Sorgen. Die Kirche hat schon andere Stürme überlebt, wenn Sie mal in die Historie gehen.«
Wir verabschiedeten uns mit Handschlag von ihm und rieten ihm noch, die Augen offenzuhalten. Ich gab ihm meine Karte, damit er uns anrufen konnte,
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