1017 - Die Sonne Satans
nichts mehr bewegte.
Ignatius schüttelte den Kopf. Ihm tat der Mann leid. Er sprach ein kurzes Gebet und wandte sich wieder ab. Den Männern draußen erklärte er, was sie zu tun hatten. Sie hatten eine Winde und auch Seile mitgebracht. Einer von ihnen würde in den Schacht steigen und Torri herausholen. Ignatius brauchte nicht mit dabei zu sein.
Draußen hing er seinen Gedanken nach. Er rauchte nicht oft, aber hin und wieder mußte er zu einem Zigarillo greifen. Wenn er rauchte, beruhigte es ihn, und er konnte auch seine Gedanken klarer formulieren.
Aber hier gab es keine Klarheit. Nach wie vor ging es um die Sonne Satans. Und nach wie vor wußte er nicht, wo sie leuchtete. Er glaubte auch nicht, daß damit eine normale Sonne bezeichnet wurde. Hier ging es um etwas ganz anderes.
Aber was?
Er stäubte Asche ab, die der Wind davontrug. Es roch nach Steinen, aber auch nach wilden Blumen, die sich aus den Spalten hervorgedrückt hatten.
Halb aufgeraucht ließ er sein Zigarillo fallen und trat die Glut mit dem Absatz aus. Eigentlich mußten die Männer soweit sein, deshalb ging er wieder zurück in den Turm.
Keiner der Leute war wie ein Geistlicher oder ein Mönch angezogen. Sie trugen eine völlig normale Kleidung, denn die Agenten der Weißen Macht mußten oft genug Tarnexistenzen annehmen. Da war eine priesterliche Kleidung einfach fehl am Platz.
Zwei Männer waren dabei, den Toten aus dem Schacht zu holen.
Die aufgestellte Winde quietschte, und aus dem Schacht hervor klang eine tiefe Stimme, die erklärte, daß alles in Ordnung war.
»Ist der Mann tot?« fragte Ignatius.
»Ja. Es scheint ein Genickbruch gewesen zu sein.«
»Danke.«
Ignatius hielt sich im Hintergrund. Die Männer sollten ihre Arbeit machen. Sie waren gut genug und brauchten keine Ratschläge. Die hätte er gern gehabt. Die Spur zu diesem Verbrannten war gelöscht worden. Aus, vorbei, und Ignatius fragte sich, wie er sie wieder aufnehmen sollte. Es würde schwierig werden, weil er einfach zu wenig in der Hand hatte.
Ein Hinweis war zumindest die Kutte gewesen. Der Mann hatte sich diese bestimmt nicht zum Spaß übergestreift. Er gehörte einem Orden an oder hatte ihm angehört. Er war dann einen anderen Weg gegangen, um sich der Sonne Satans auszusetzen.
Was hatte ihn dazu gebracht? Wie war er darauf gekommen? Hatte er mit der dämonischen Welt Kontakt aufnehmen können, oder war man an ihn herangetreten?
Es gab keine Antworten auf diese Fragen, aber Ignatius würde nicht lockerlassen und besonders in den Klöstern nachforschen, ob sie unnatürliche Abgänge zu verzeichnen hatten.
Das war die eine Möglichkeit. Die zweite hieß Benjamin Torri. Da kannte Ignatius zumindest einen Namen. Er hoffte inständig, daß Torri ihm keinen falschen gesagt hatte.
Noch immer quietschte die Winde. Ihr Rad drehte sich schwerfällig, aber die Männer hatten es bald geschafft und die Leiche des jungen Mannes nach oben geholt.
Er hing in einer perfekt geknüpften Schlinge, aus der ihn zwei Helfer hervorholten. Danach wurde der Mann an die Oberfläche gehievt, der den Toten in die Schlinge gelegt hatte. Anschließend drückte Ignatius höchstpersönlich wieder den Deckel auf die Öffnung.
Der Tote lag nicht weit entfernt. Ignatius untersuchte ihn. Er räumte die Taschen leer, fand dort etwas Bargeld, ein Taschentuch und ein aufklappbares Etui mit dem Ausweis des Mannes.
Er hieß tatsächlich Benjamin Torri. Gewohnt hatte er in Rom. Es war eine Adresse angegeben, aber nicht die eines Klosters. Mehr fand Ignatius nicht heraus.
Als er den Ausweis einsteckte, warf er einen letzten Blick auf die Leiche.
Obwohl sich Torri beim Aufprall das Genick gebrochen hatte, lag auf seinem Gesicht noch immer dieser haßerfüllte Ausdruck, mit dem er den Father zuletzt angeschaut hatte. Für ihn hatte es wirklich kein Zurück gegeben.
Ignatius winkte die anderen zu sich heran. Er deutete auf den Toten und erkundigte sich, ob er bekannt war.
Die Männer schüttelten die Köpfe.
»Hat ihn wirklich niemand zuvor gesehen?«
»Nein!« lautete die einstimmige Antwort.
»Er heißt Benjamin Torri«, sagte Ignatius. »Kann jemand mit dem Namen etwas anfangen?«
Keiner konnte es.
»Warum fragen Sie?«
Ignatius hob die Schultern. »Er erklärte mir, daß er im weitesten Sinne zur Kirche gehört hat.«
»War er ein Bruder, Signore?«
»Wohl noch nicht. Oder nicht richtig. Er hat wohl hospitiert, aber ich weiß nicht, wo und bei wem. Es ist alles ein wenig
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