1018 - Die Spur der irren Luna
vermißten noch etwas.
An keiner Zellenwand hing ein Zeichen des Glaubens. Es gab kein Kreuz. Auch kein Heiligenbild oder irgend etwas Persönliches. Wer in diesen Kammern gelebt hatte, der hatte auf alles verzichtet, was sein früheres Leben geboten hatte.
Ich hob die Schultern. Auch Suko war ziemlich ratlos. Er fragte: »Mit wem haben wir es hier zu tun?«
»Mit Gestalten, die auf einem Gebiet völlig anspruchslos sind.«
»Oder wurden.«
»Das kann auch sein.«
Wir setzten die Durchsuchung der Zellen fort, ohne jedoch einen Hinweis zu entdecken. Dabei waren wir tiefer in den düsteren Bau eingedrungen, zu dem nur die Zellen gehörten. Von St. Patrick wußte ich, daß es große Küchenräume gab, auch eine Bibliothek. Das alles war nicht vorhanden.
Dieses Kloster, das seinen Namen nicht verdiente, war nichts anderes als eine Schlafstätte für - ja, für wen?
Vor einer Tür stoppten wir. Sie bildete praktisch das Ende des Ganges und war nicht verschlossen.
Wieder mußte ich einen Knauf drehen, um sie zu öffnen.
Ich schaute wieder in die normale Natur hinein und atmete auf, der Düsternis des Klosters entwichen zu sein. Wir befanden uns jetzt an der Rückseite und wunderten uns abermals, denn vor uns lag so etwas wie ein Dschungel.
Kein dichter Wald mit hohen Bäumen, sondern mehr Gestrüpp und Unterholz, sowie hohe Grasgewächse. Alles schien miteinander verflochten zu sein, damit es einem Menschen fast unmöglich gemacht wurde, diesen Irrgarten zu durchqueren.
»Sieht nicht gerade gepflegt aus, dieser Kräutergarten«, kommentierte Suko.
»Und ob.« Ich betrat den weichen Boden. Von einer Sonne Satans war nicht viel zu sehen. Über uns lag der graue Himmel. Er war wolkenverhangen, und der Dunst hing in Fetzen über der Landschaft.
Eine schweigende Welt lag vor uns, in die wir uns Schritt für Schritt hineinbewegten. War auch Lincoln diesen Weg gegangen? Hatte er hier etwas entdeckt, das er nicht hatte entdecken sollen?
Ich wußte es nicht. Ich sah auch keine Spuren. Aber der Küster mußte etwas gefunden haben, sonst wäre er nicht so bestialisch umgebracht worden.
Ich blieb plötzlich stehen, weil sich die Beschaffenheit des Bodens verändert hatte. Die Weichheit war verschwunden. Unter meinem rechten Fuß spürte ich einen Widerstand.
Mein Blick fiel nach unten.
Zuerst sah ich kaum etwas, weil das Gras wie ein Teppich den Boden bedeckte. Dann aber, als ich mit dem Fuß den feuchten Film zur Seite geschoben hatte, konnte ich sehr gut sehen, worauf ich stand.
Auf einem Stein. Kein normaler Stein. Auch von der Form her und von der Größe.
Es war eine Grabplatte, ein Grabstein.
Suko, der sich etwas von mir entfernt hatte, alarmierte ich durch einen leisen Pfiff. Er schaute sich um, sah mein Winken und war mit wenigen Schritten bei mir. Ich sagte nichts und deutete nur zu Boden.
»Ein Grab?«
»Sieht so aus.«
»Und nun?«
Mein Grinsen sah schief aus. »Es kommt darauf, wen wir dort finden und ob wir überhaupt jemand entdecken. Vorausgesetzt, wir schaffen es, die Platte anzuheben.«
»Später«, sagte Suko. »Ich würde vorschlagen, daß wir uns zunächst einmal umschauen. Wo ein Grab ist, könnten auch mehrere sein. Dann wissen wir möglicherweise, wo wir die Mönche finden können. Vielleicht sind sie alle tot.«
»Oder so wie Claudius.«
Er nickte. »Das kann auch sein.«
Suko hatte recht. Es war nicht die einzige Grabplatte, die wir fanden, aber keine von ihnen war beschriftet. Wir hielten uns auf einem alten, verwilderten und von der Natur überwachsenen Friedhof auf, ohne allerdings die Sonne Satans entdeckt zu haben.
Dieser Friedhof war recht groß. Wir hatten uns geteilt, als wir ihn durchstöberten. Insekten schwirrten in der feuchten Luft. An meiner Kleidung klebten nasse Blätter. Hin und wieder trat ich in sehr feuchte Stellen, dann schmatzte es jedesmal unter meinen Füßen, wenn ich die Beine wieder zurückzog.
Erst weiter hinten wurden die Bäume höher und verdichteten sich wieder zum normalen Wald. Hier bewegten wir uns durch Gestrüpp und an niedrigen Bäumen vorbei. Zudem über feuchtes, glattes Laub hinweg, das auf dem Boden faulte.
Ich hatte schon mehrere Platten entdeckt und konnte sie mir als Verstecke gut vorstellen. Lagen tatsächlich die ehemaligen Insassen des Klosters hier begraben? Wenn ja, warum waren sie gestorben und auf welche Art und Weise?
Durch Mord? Durch Massenselbstmord? Oder hatte die Sonne Satans die Menschen verbrannt?
»John! Ich glaube,
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