1018 - Die Spur der irren Luna
dicht über der Nase ein Loch in die Stirn gestanzt.
Die Haut war dort zur Seite geplatzt. Aufgerissen, und es zeichnete sich ein blumenartiges Muster ab. Die Wucht hätte die Gestalt eigentlich umschleudern müssen, aber sie blieb auf den Beinen, und Ignatius starrte sie an.
Aus der Wunde am Schädel drang etwas hervor. Es war ein breiter Strom aus dunklen Würmern oder Maden, der sich über das Gesicht hinwegbewegte und durch den Druck des eigenen Nachschubs die Wunde in der Stirn noch mehr vergrößerte.
Jetzt erst war Ignatius richtig klar geworden, was im Innern dieser Gestalt steckte, die sich der Sonne Satans hingegeben hatte. Das Menschliche hatte sie verloren. Sie war mit Würmern und Maden gefüllt worden. Etwas Widerlicheres konnte es kaum geben.
Der Verbrannte taumelte. Teile seines Gesichts lagen noch frei, weil sie der Strom nicht berührt hatte. Ignatius hatte sich auf die Haut konzentriert und sah jetzt, wie es dahinter zuckte und arbeitete. Dieser Kopf mußte voll mit Gewürm stecken, er hatte das abgelöst, was einen Menschen ausmachte.
Aus dem Mund wehten schreckliche Laute. Die Gestalt hatte die Orientierung verloren. Sie ging mal nach vorn, dann zur Seite und geriet auch in eine Rückwärtsbewegung.
Zugleich spürte Ignatius die Schwäche. Nebel legte sich in sein Blickfeld. Er wußte, daß er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Er war nicht mehr der Jüngste, und in der letzten Zeit war einfach zu viel auf ihn eingestürmt. Die Schmerzen tobten weiterhin in seiner Brust, aber er wußte auch, daß er so lange wie möglich gegen die Schwäche ankämpfen mußte.
Es fiel ihm schwer, sehr schwer - und es war sogar unmöglich. Niemand hatte gegen seine Knie geschlagen, und doch war es ihm so vorgekommen.
Er taumelte. Er sah auch die Gestalt schwanken, und noch einmal schoß er auf dieses Untier.
Ob die Kugel getroffen hatte, bekam er nicht mehr mit. Da befand er sich im Fall nach unten. Die Anstrengungen und die Schwäche waren einfach zuviel gewesen. Sie forderten ihren Tribut.
Ignatius fiel.
Und er hatte Glück, denn er landete nicht auf dem harten Boden, sondern schlug gegen die weiche Sitzfläche des Sessels. Dann gab es die normale Welt für ihn nicht mehr.
***
Der Engel trug eine weiße, frisch gestärkte Flügelhaube. Er hatte ein strenges Gesicht mit allerdings weichen Augen, und er schwebte über Ignatius.
Er konnte auch reden. Nur klang seine Stimme so fern, obwohl er selbst doch so nah war.
»Wie schön, er wird wieder wach.«
»Das wurde auch Zeit, Schwester.«
Die Antwort hatte ein Mann gegeben, und auch Father Ignatius hatte sie verstanden. Das Bild vom Engel verschwamm und schuf allmählich der Realität Platz.
Nein, ein Engel kümmerte sich nicht um ihn, sondern eine Krankenschwester, wie anhand ihrer Haube zu erkennen war. Ansonsten sah Ignatius die Umgebung verschwommen, auch wenn er nicht viel davon mitbekam.
»Wie lange hat sein Zustand jetzt gedauert?« erkundigte sich wieder der Mann.
Ignatius sah sich gezwungen, über die Stimme nachzudenken. Er merkte, daß sie ihm vertraut war.
Leider war er noch zu weit weg, so kam er nicht darauf, wem die Stimme gehörte.
»Den Rest des Tages und die ganze Nacht über. Wir haben schon Angst bekommen, daß er es nicht schafft. Zum Glück erwacht er wieder, und ich weiß nicht, was er hinter sich hatte. Seine gesamte Brust war blau und grünlich angelaufen, als hätte man ihm dort einen harten Schlag versetzt. Vielleicht hat er auch innere Verletzungen. Es könnten auch die Rippen sein, aber ich kann nicht sagen, was mit ihm ist. Das tut mir leid.«
»Jedenfalls müssen wir Ihnen und Ihren Kolleginnen sehr dankbar sein, daß man sich so intensiv um Father Ignatius gekümmert hat.«
»Ich bitte Sie, das haben wir doch gern getan. Außerdem ist es unsere Pflicht.«
»Ich weiß, Schwester, deshalb sind Sie auch so wichtig. Ich möchte trotzdem nicht, daß Sie mich falsch verstehen, aber könnten Sie mich mit Father Ignatius allein lassen?«
»Natürlich. Wenn irgend etwas ist, dann klingeln Sie.«
»Danke, Schwester.«
Father Ignatius hatte zugehört. Er hatte auch alles verstanden, aber es fiel ihm schwer, die Dinge in seinem Kopf zu ordnen. Es war wirklich nicht einfach, die Informationen zusammenzufügen, auch weil sie für ihn unglaublich geklungen hatten. Er wollte den größten Teil davon einfach nicht wahrhaben.
Er öffnete die Augen, als er in Hüfthöhe einen Druck auf dem Bett spürte. Der andere
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