1018 - Die Spur der irren Luna
Kreuzes finden. Hier also mußte sich die Sonne Satans befinden. Als einzige Lichtquelle dienten unsere Lampen, wobei sich nur der Strahl meiner Lampe über den Boden hinweg bewegte und ich so sah, daß er nicht mehr leer war.
Menschen lagen darauf.
Männer, die zu große Kutten trugen und aussahen wie weggeworfene Bündel.
Es waren die ehemaligen Mönche, die jetzt durch die Sonne Satans Verbrannten. Sie lagen auf dem Rücken, und ihre Gesichter waren gegen die Decke gerichtet, als könnten sie dort das Ziel sehen.
Auf dem Boden liegend bildeten ihre Körper einen Kreis, als wollten sie so die Rundung der Satanssonne symbolisieren.
Luna Limetti ließ sich nicht stören.
Zwischen den Liegenden waren die Räume breit genug, um hindurchgehen zu können.
In der Mitte des Kreises blieb sie stehen. Sie erinnerte dabei an eine Königin, die vom kalten Licht unserer kleinen Lampen angestrahlt wurde.
Es machte ihr nichts aus. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, reckte die Arme und legte den Kopf zurück, damit auch sie gegen die Decke schauen konnte.
Es drang kein Wort aus ihrem Mund. Sie blieb in dieser stummen Andacht. Es war ihre Huldigung oder ihr Gebet für die Satanssonne. Eines ohne Worte.
Suko und ich standen jetzt dicht beisammen. Er fragte mich flüsternd: »Was ist mit deinem Kreuz?«
»Es reagiert.«
»Wärme? Oder…?«
»Auch. Aber es vibriert, als wären Kräfte dabei, es von allen Seiten zu berühren.«
»Willst du es hervorholen?«
»Noch nicht.«
»Die Mönche sehen aus wie tot.«
Ich verzog den Mund. »Ich wollte, sie wären es.« Danach fuhr der Lichtkegel über ihre Gestalten und auch über ihre Gesichter hinweg, die immer nur für einen winzigen Moment aus der Finsternis hervorgerissen wurden, so daß wir die fleckigen und starren Physiognomien sahen, als wären es steinerne Wesen.
Sie alle warteten auf das Licht der Sonne, wobei ich das Problem hatte, überhaupt an ein Licht zu glauben. Nein, nein, das mußte etwas anderes sein.
Eine schwarze Sonne vielleicht. Aber an der Decke, gegen die Luna Limetti starrte, zeigte sich nichts. Sie blieb dunkel. Kein hellerer Fleck zeichnete sich ab.
Die Frau hatte bisher starr auf dem Fleck verharrt. Wahrscheinlich hatte sie Kraft gesammelt und sich auf die bald hervorbrechende Macht konzentriert.
Das war plötzlich vorbei. Sie schüttelte ihren Körper, als wollte sie irgendwelche Wassertropfen loswerden. Natürlich bewegten sich die Kutten, und ihr Klirren wehte durch die Finsternis. Dann begann Luna zu tanzen. Sie führte uns die Geschmeidigkeit ihres Körpers vor. Sie mußte sich vorkommen wie auf einer Bühne, wobei sie in einen tranceartigen Zustand hineinglitt, denn die Umgebung nahm sie nicht mehr wahr. Ihr Körper war zu einem anderen, geschmeidigen Wesen geworden, das auf eine Melodie hörte, die nur für Luna zu verstehen war.
Wir vernahmen nichts. Wir schauten nur zu und wunderten uns darüber, daß die Verbrannten nach wie vor starr auf dem Boden lagen und sich nicht bewegten.
Luna Limetti war gut. Sie wußte genau, wie man sich bewegen mußte. Als hätte sie es gelernt, um es uns, den Besuchern, demonstrieren zu können. Nicht nur ihr Körper bewegte sich, auch die Arme und somit die Hände spielten mit. Sie strich über ihre Brüste, über die Hüften, die Oberschenkel, und jede Berührung schien bei ihr ein gewisses Entzücken auszulösen, wie wir an ihrem Gesicht ablasen. Es zeigte keine Spannung mehr, es war entspannt, und ihre Augen standen weit offen. Wir leuchteten sie an. Auf den Ketten blitzten die Lichtreflexe, die auch hin und wieder über Lunas Gesicht hinweghuschten, so daß es aussah, als hätte es sich einem Wechselspiel aus Licht und Schatten hingegeben.
Hell, dunkel - dunkel, hell!
Hände, die sich in ständiger Bewegung befanden. Der Körper hatte etwas Schlangenhaftes bekommen. Durch die Ketten wirkte er wie gefesselt, aber das war sie nicht wirklich, denn das Metall rutschte auch deshalb, weil der Tanz schon anstrengte und sich auf der Haut erster Schweiß gebildet hatte.
Manchmal öffnete sie den Mund. Dann strömten keuchende Atemzüge hervor, die sich anhörten wie das Zischen einer alten Dampflok. Die Laute blieben, aber sie veränderten sich, denn sie wandelten sich in hart und stoßweise gesprochene Worte.
Zuerst verstanden wir sie nicht, weil sie einfach noch zu undeutlich waren.
Aber sie sprach lauter und auch heftiger. Plötzlich strömte es aus ihr hervor, und ihre Worte bewiesen uns, wem sie
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