1018 - Die Spur der irren Luna
erbärmliche Leben nehmen und euch verändern.«
»Dann bringen sie uns hin.«
»Und auch zu den anderen Dienern«, fügte Suko noch hinzu.
Luna lächelte. »Gern. Ich freue mich immer, wenn die Sonne neuen Nachschub bekommt. Sie ist wirklich einmalig, und ich verehre sie.«
»Wobei Sie nicht so aussehen, als hätten Sie einen direkten Kontakt mit ihr bekommen!« stellte ich fest.
»Doch, das habe ich.«
»Tragen Sie deshalb diese Kleidung?« Ich war einfach neugierig und schob das andere Thema zur Seite.
»Ich mache offiziell Mode.«
»Aus Metall?«
»Ja, so etwas gibt es.«
Das glaubte ich ihr, denn in der heutigen Zeit war wirklich alles möglich.
Luna Limetti warf uns noch einen letzten, prüfenden Blick zu, bevor sie sich drehte und einfach davonging. An ihren Füßen trug sie weiche Stiefeletten. So konnte sie zwar leise oder fast unhörbar auftreten, aber ihre Kleidung bewegte sich schon im Rhythmus der Schritte. Da schob sich das Metall auf der nackten Haut hin und her.
»Sie heißt Luna«, flüsterte mir Suko zu. »Luna übersetze ich mit Mond. Und der ist das glatte Gegenteil zur Sonne.«
»Auch zur Sonne Satans?«
Suko stutzte für einen Moment. »Glaubst du, daß damit der Mond gemeint ist?«
»Wäre das verkehrt? Denk daran, wer alles auf den Mond und auf seine Kräfte vertraut.«
»Einige. Angefangen von Vampiren bis hin zu verdammten Friedhofsschändern.«
Wir hatten leise gesprochen. Luna hätte die Worte nicht verstehen können. Sie drehte trotzdem den Kopf, weil sie uns noch etwas sagen wollte. Dabei ging sie allerdings weiter. »Es ist schon jemand hier gewesen, der unser Geheimnis herausfinden wollte«, erklärte sie. »Aber er hat Pech gehabt…«
»Der Küster?«
»Ja, richtig. Er hat sich selbst überwunden. Er konnte nicht verstehen, daß es auch Änderungen gibt. Er wagte sich in das Kloster hinein, aber ich bestimme, wer meine Welt betreten darf und wer nicht. Er durfte es bestimmt nicht.«
»Dann haben Sie ihn getötet?« fragte ich.
»So ist es. Ich nahm ein Messer. In Rom habe ich mich auf eine Schußwaffe verlassen. Beides ist sicher in meiner Hand.«
Es kostete mich Mühe, mich zurückzuhalten und die Frau nicht anzuspringen. Es wäre ein Fehler gewesen; dann hätten wir möglicherweise nichts mehr herausgefunden, und das wiederum durften wir nicht riskieren.
Daß wir uns dem Ziel näherten, war zu spüren, aber nicht zu sehen. Es hatte sich in der Umgebung etwas verändert. Die Decke schwebte wieder frei über uns, denn sie wurde von keiner Säule mehr gestützt. Verändert hatte sich auch der Geruch. Die Luft schien dicker geworden zu sein. Sie kam uns gefüllt vor. Gefüllt mit Schatten, die allerdings zu fühlen waren. Mir kam es so vor, als wären kalte Rußfahnen dabei, mich zu berühren.
Zwar breitete sich in unserer Umgebung nach wie vor die Stille aus, doch welche Stille konnte es jetzt sein? Sie war nicht mehr natürlich, sie schien sich künstlich aufgebaut zu haben - wartend und lauernd.
Luna Limetti führte uns weiter. Wir waren dichter an sie herangerückt. Nach wie vor gab es nur unsere beiden Lampen als einzige Lichtquelle in dieser unterirdischen Welt. Wir leuchteten an der Frau vorbei, um mehr und besser sehen zu können, und dabei erwischten wir wieder einige Ziele, die wir schon erwartet hatten.
Keine Treppen führten hoch, sondern Leitern. Sie endeten dicht an oder unter der Decke.
Darüber lagen die Gräber…
Es gab keine andere Möglichkeit. Wir befanden uns nicht mehr unter dem Kloster, jetzt lag der verwilderte Friedhof über uns, und wir konnten davon ausgehen, daß wir uns nahe des Zentrums befanden.
Mein Kreuz reagierte. Es hatte den bösen Einfluß gespürt. Ein leichtes Vibrieren, wie ich es selten erlebt hatte. Hinzu kam die übliche Wärme, und ich blieb für einen Moment stehen.
Suko und Luna gingen weiter. Die unterirdische Welt war zusammengerückt, hatte sich verdichtet.
Hier lag das Böse als unsichtbarer Gast, und ich fragte mich, ob wir den Kampf überhaupt gewinnen konnten, denn die andere Seite war schon sehr weit fortgeschritten.
Als Luna Limetti stoppte, blieb auch Suko stehen. Er drehte sich in meine Richtung und winkte mir zu.
Ich kam langsam näher. Die Lampe brannte noch immer. Der Strahl wanderte in einem großen Kreis und auch an Luna Limetti vorbei, weil ich etwas anderes sehen wollte.
»Wir sind am Ziel!« sagte sie. Ihre Stimme zitterte leicht, als wollte sie einen Einklang mit den Vibrationen meines
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