1020 - Doriel
drei Toten, die Chancenlosigkeit, zu der sie verdammt worden war…
Gedanken, die sich allerdings mehr im Hintergrund bewegten. Zunächst einmal ging es um sie selbst und dabei auch um ein dringendes Grundbedürfnis.
Ihre Kehle war dermaßen trocken, als wäre sie während des Schlafs mit Staub oder feinem Sand gefüllt worden. Sprechen würde sie kaum können, und so ordnete sie ihre Gedanken, was nicht einfach war. Hinzu kam die körperliche Unzulänglichkeit. Es gab wohl keine Stelle, die nicht schmerzte. Arme, Beine, der Oberkörper, es tat ihr eigentlich alles weh. Jane litt unter dem Sturz.
Selbst beim Einatmen schmerzten die Rippen erbärmlich.
Da war der Durst!
Stark. Eine regelrechte Folter. Ein wahnsinniges Verlangen. Sie wollte nicht nur trinken, sie mußte es tun, um überhaupt überleben zu können.
Noch immer hockte sie auf der Treppe und stierte ins Leere.
Der Geruch war geblieben. Es war kühl, und trotzdem fror sie nicht. Sie fühlte sich schmutzig, verklebt von oben bis unten, weil es keine Stelle an ihrem Körper gab, die nicht schweißbedeckt war.
Der Drang, etwas trinken zu müssen wurde wahnsinnig stark. Wasser gab es nicht, nur Wein.
Flaschen lagen genügend im Keller. Wenn sie eine zerschlug und zwei, drei Schlucke nahm, mußte das zunächst einmal reichen.
Jane stützte sich an der Wand ab, als sie wieder auf die Beine kam. Sie stand, aber sie zitterte in den Knien und hätte sich nicht darüber gewundert, wenn sie zusammengebrochen wäre. Mit großer Willenskraft hielt sich die Detektivin auf den Beinen, auch wenn der Boden vor ihr zu schwanken schien.
Zwei Stufen mußte sie noch gehen, um die Treppe hinter sich zu lassen. Das Zittern in den Knien ließ nicht nach. Jane brauchte die Wand als Stütze. Die Steine waren kalt. Ihre Hände rutschten leicht ab, aber sie setzte einen Fuß vor den anderen und näherte sich der düsteren Tiefe des Weinkellers, wo sie die Flaschen wußte, die nicht in den Kisten lagen.
Sie würde sie so zerschlagen, daß sie in der Lage war, daraus trinken zu können.
Vor ihr lagen auch die drei Toten!
Verteilt an verschiedenen Stellen, als wären sie bewußt dekorativ hingelegt worden, um dem Drama die entsprechende Kulisse zu geben. Jane schaute weg. Sie wollte die schrecklich zugerichteten Leichen nicht sehen, sie blickte darüber hinweg und konzentrierte sich auf die Flaschen an der rechten Seite.
Neben den aufgetürmten Weinflaschen blieb sie stehen. Eine dicke Staubschicht lag darauf. Jane kniete sich hin und griff mit beiden Händen nach der ersten Flasche. Der Boden war hart genug, um die Flasche aufzuschlagen. Wie Köpfe schauten die Steine hervor, und schon beim ersten Schlag ging die Flasche zu Bruch.
Der Wein schoß hervor. Er verteilte sich wie dunkles, aber dünnes Blut auf dem Boden. Jane stellte den Rest der Flasche wieder in die Senkrechte und betrachtete für einen Moment die zackige Schnittstelle. Die Gier war da. Sie brauchte Flüssigkeit, aber sie hatte sich zum Glück so stark in der Gewalt, daß sie die scharfen Kanten an den Seiten nicht ansetzte. Nur keine Berührung mit den Lippen.
Jane öffnete den Mund, legte den Kopf zurück, hob die Flasche hoch genug an und ließ den Wein aus der Öffnung als roten Strahl in ihren Mund fließen.
Das Zeug traf nicht nur die Öffnung. Es klatschte auch gegen ihr Gesicht. Es rann am Kinn entlang.
Es war irgendwo auch klebrig, aber es rann auch in die Kehle und Jane schluckte automatisch. Sie hatte Durst, und sie war von diesem Gefühl wirklich gequält worden, deshalb trank sie mehr als ihr guttat. Jane hörte erst zu trinken auf, als die Flasche leer war.
Sie hatte nicht allen Wein getrunken. Viel war auch über ihr Gesicht gelaufen oder danebengespritzt. Jane lechzte noch nach dem letzten Tropfen, ohne dafür etwas zu können.
Schließlich rann nichts mehr hervor. Jane schleuderte die Flasche zur Seite und hörte, wie sie mit einem platzenden Geräusch zerbrach. Die Detektivin stand nahe genug an der Wand, um sich dagegen lehnen zu können. Die Stütze brauchte sie auch: Mit offenem Mund atmete sie ein und aus.
Jane wußte nicht, wieviel Wein sie geschluckt hatte. Wahrscheinlich war es zuviel gewesen. In ihrem Zustand konnte der Körper den Alkohol kaum vertragen, und er würde sich bestimmt bald bemerkbar machen.
Sie stemmte sich von der Wand ab, stolperte über einen Buckel, konnte sich trotzdem halten und merkte auch, daß ihre Beine sehr schwach geworden waren.
Zudem hatte sie
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