1021 - Der unsichtbare Gegner
Schluck.
Er schwankte.
„Wir müssen wieder rein", sagte Merlin. „Komm."
Der Alte schüttelte den Kopf.
„Ich gehe nicht, bevor diese Flasche leer ist." Er griff sich in die Hosentasche und holte eine zweite Flasche daraus hervor. „Und mit dieser muß auch noch was passieren."
„Du bist total betrunken, Garret", warnte Merlin. „Wenn du noch mehr trinkst, verpaßt du womöglich das Geschäft deines Lebens."
Aglent winkte großspurig ab.
„Ach, das ist gelaufen", erwiderte er. „Darum brauche ich mich nicht mehr zu kümmern."
Das Mädchen versuchte noch eine Weile, ihn zur Vernunft zu bringen, sah dann aber ein, daß Garret Aglent nicht hören wollte. Er war glücklich, und er war davon überzeugt, daß nichts sein Glück trüben konnte.
Leise kichernd winkte er Merlin und dem jungen Künstler zu, als diese in die Ausstellungshalle zurückkehrten. Als sich die Tür hinter ihnen schloß, wollte er sich wieder auf den zerrissenen Container setzen. Er hatte jedoch nicht bedacht, daß er mittlerweile einen Schritt zur Seite gegangen war.
Hinter ihm war nichts, und er landete unsanft auf dem Hosenboden. Für einen kurzen Moment blickte er verstört vor sich hin, dann lachte er leise und trank noch einen Schluck aus der Flasche.
Am Container zog er sich hoch.
Und dabei kam ihm eine Idee.
*
Merlin Sanders wollte bei allem Interesse für die Werke ihres Freundes mehr sehen als nur diese, zumal sie sie bis ins Detail kannte.
„Laß uns in die anderen Hallen gehen", bat sie.
Addison Uptigrove bemerkte, daß ein junges Mädchen eine seiner Statuen bewegen wollte. Es war eine etwa sechzig Zentimeter hohe Plastik eines Haluters. Er ging zu ihr und bat sie freundlich, Rücksicht zu nehmen, damit auch versehentlich nichts beschädigt wurde. Sie errötete verlegen und eilte davon, ohne sich zu entschuldigen.
„Komm, nun wird es aber wirklich Zeit", sagte Merlin.
Dieses Mal ließ er sich nicht lange nötigen. Er sah, daß sich Robert Archibald, der Kunstagent, mit einem hochgewachsenen Ara näherte. Und er erkannte den Ara sofort.
Es war ein gefürchteter Kritiker.
„Du hast recht", entgegnete er. „Ich habe keine Lust, mich von dem Kahlkopf auseinandernehmen zu lassen."
„Dann hast du Alson Arlet also doch bemerkt."
Er lachte nur, legte den Arm um sie und ging mit ihr davon.
Sie mischten sich unter die Menschen, die sich draußen von Halle zu Halle schoben oder bei den aktionsreichen Spielen zusahen, die von namhaften akonischen Künstlern inszeniert wurden. Bei diesen Spielen experimentierten die Künstler in erster Linie mit paranormalen Einflüssen, mit denen überwiegend Klang- und Farbeffekte hervorgerufen wurden.
Merlin begeisterte sich vor allem für Wasserspiele, die in einem kugelförmigen Antigravfeld veranstaltet wurden. Dabei konnte der produzierende Künstler die Gravitationswerte innerhalb der Kugel über die Klaviatur eines computergesteuerten Instruments variieren, so daß innerhalb der Kugel Tausende von Zonen mit unterschiedlichen Gravitationswerten entstanden, die durch Farben sichtbar gemacht wurden.
Bildjournalisten der positronischen Medien hielten erste Eindrücke fest, um in den nächsten Nachrichten aktuelle Informationen von der Ausstellung senden zu können.
Die Menge genoß die friedliche Atmosphäre der Ausstellung.
4.
Etwa zur gleichen Zeit verließen Gernon Egk und Angela Gore die XANADU und stiegen in einen Gleiter, um zur Ausstellung zu fliegen. Den Kreuzfahrtreisenden waren vergünstigte Eintrittskarten angeboten worden, und die meisten von ihnen hatten die Einladung angenommen.
„Was soll der Umhang?" fragte Angela belustigt. Sie übernahm es, die Maschine zu lenken. Dabei hatte sie allerdings kaum mehr zu tun, als ein paar Tasten zu berühren.
„Hast du Angst, daß es heute noch regnet?"
Sie wies spöttisch zum strahlend blauen Himmel hinauf, an dem sich keine einzige Wolke zeigte.
Egk zuckte mit den Achseln.
„Bordvideo hat vor dem Wetter in dieser Gegend gewarnt", schwindelte er. „Angeblich kann das Wetter hier blitzschnell umschlagen. Und für heute ist Regen wahrscheinlich."
Sie lachte.
„Du hast dir einen Bären aufbinden lassen." Der Gleiter verließ den Raumhafen und überquerte Parkgelände. Angela sah den schwebenden Pavillon der Ausstellung bereits am Horizont. „Erstens glaube ich nicht daran, daß das Wetter hier überraschend umschlägt, weil ich zweitens nämlich genau weiß, daß die Behörden das Wetter auf den
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