1021 - Der unsichtbare Gegner
sie auftreten und eingreifen, dann so gut wie unsichtbar. Wahrscheinlich hat einer von ihnen dafür gesorgt, daß der Haluter über das Mädchen hinweggeflogen ist."
„Du meinst, das hat er nicht aus eigenem Antrieb getan?"
„Das weiß ich natürlich nicht genau, aber ich vermute es." Er beobachtete das Kind, das nun in Tränen ausbrach und davonlief, wobei es laut nach seiner Mutter rief.
„Am besten fliegen wir hinterher", schlug Egk vor und zeigte auf die Spur, die Icho Tolot zog.
„Er läuft direkt auf das Ausstellungsgelände zu", stellte sie fest, während sie die Maschine beschleunigte. „Hoffentlich sind die Mutanten wirklich auf der Hut."
„Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand. Jetzt können wir nur noch beobachten."
„Es gefällt mir nicht."
Sie flog nur so schnell, daß sie ständig etwa zweihundert Meter hinter dem Haluter blieb, der nun freies Gelände erreicht hatte und wie ein tiefliegendes Geschoß durch Zäune und Gartenanlagen zwischen den Häusern raste. Er entwickelte eine Geschwindigkeit von fast hundert Stundenkilometern und bewegte sich auf Beinen und den beiden Laufarmen voran. Da der Arbeitstag begonnen hatte, hielten sich kaum Menschen in den Anlagen zwischen den Häusern auf, so daß es schien, als seien lediglich Sachwerte durch den Haluter gefährdet.
Angela Gore zweifelte keinen Moment daran, daß Gernon Egk die Sicherheitsdienste in Terrania City tatsächlich benachrichtigt hatte. Aus ihrer Sicht konnte er keinen Grund haben, das nicht zu tun. Sie wunderte sich allerdings darüber, daß noch immer niemand zu sehen war, der dem Haluter in die Arme gefallen wäre.
Nur noch wenige Kilometer trennten den Koloß von dem Ausstellungsgelände, auf dem sich Tausende von Besuchern aufhielten.
Der Stadtbezirk Garbus zeichnete sich durch architektonisch schön angelegte Siedlungen von kleinen Häusern aus, in denen zumeist nicht mehr als drei oder vier Wohnungen waren. Hier gab es keine breiten Straßen, sondern fast nur verwinkelte Gassen mit zahllosen Restaurants und kleinen Geschäften, in denen Kunsthandel betrieben wurde.
Angela erkannte klar, daß sich eine Katastrophe abzeichnete, denn Icho Tolot zog schnurgerade auf das Ausstellungsgelände zu. Hindernisse nahm er nicht zur Kenntnis, sondern rannte sie nieder oder schoß einfach hindurch. Das würde er auch weiterhin tun.
Er würde nicht durch die Gassen jagen, sondern auf direktem Weg durch Häuser und Menschenmengen hindurch auf das Ausstellungsgelände zu, und es sah nicht danach aus, daß sein Wahnsinnslauf dort zu Ende sein würde.
„Bis jetzt hat es nur Sachschaden gegeben", sagte sie bedrückt. „Aber gleich kostet es Menschenleben. Warum tut denn niemand etwas?"
„Ich weiß es nicht", seufzte Gernon Egk. „Mir ist völlig unverständlich, warum die Mutanten nicht eingreifen."
„Ich kann das nicht sehen. Ein paar Sekunden noch, und dann ..."
Sie sprach nicht aus, was sie dachte, aber er wußte auch so, was sie meinte. In einigen Sekunden würden Tod und Verderben über den Garbus-Distrikt hereinbrechen.
„Glaube ja nicht, daß ich das zulasse", sagte er, griff unter seinen Umhang und holte den Energiestrahler darunter hervor. Er schaltete die positronische Sicherung aus. „Bevor es Tote gibt, muß ich handeln."
*
Garret Aglent war so betrunken, daß er begann, doppelt zu sehen. Dennoch blieb sein Geist verhältnismäßig klar. Er wußte noch, was er tat.
Er war anders, als Addison Uptigrove glaubte. Sein Schicksal nahm er nicht ganz so schwer, wie es anderen erschien. Er war immer ein wenig leichtsinnig, und der Spaß am Leben war ihm wichtiger als die soziale Sicherung gewesen.
Er hatte es nie bereut.
Um nicht umzufallen, lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand. Dann kniff er ein Auge zu, weil das leichter war, als zwei sich ständig verschiebende Bilder zur Deckung zu bringen, und beobachtete die Kunstexperten, die mit zurückhaltenden Gesten über die Werke der Kunstschaffenden diskutierten. Die Sachverständigen waren auffallend elegant gekleidet und stießen schon aus diesem Grund bei Aglent auf Ablehnung.
Einem spontanen Gedanken folgend, schob er sich an der Wand entlang bis zu der Tür, die auf den Innenhof hinausführte. Der zerbeulte und teilweise zerfetzte Container war noch da. Garret Aglent nahm einen herumliegenden Putzlappen auf und wischte den Behälter damit ab, dann nahm er ihn auf und schleppte ihn zur Tür. Hier richtete er sich auf und sprach leise
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