1021 - Der unsichtbare Gegner
er sich der Künstlerstadt Garbus näherte, und er erfaßte, wie verhängnisvoll sich sein Amoklauf auswirken mußte. Immer wieder versuchte er, das Spiel seiner Muskeln zu beeinflussen und wenigstens den Teil des dafür verantwortlichen Ordinärhirns zurückzugewinnen.
Er spürte, wie er gegen Zäune und Mauern prallte und sie durchbrach, und er konnte nichts dagegen tun, daß zu allem Übel auch noch eine atomare Umstrukturierung erfolgte, die seinen Körper in einen Rammbock aus stahlharter Materie verwandelte.
Mit der Durchschlagskraft einer Granate schlug er in die ersten Häuser des Garbus-Distrikts. Er sah Menschen, die in panischer Furcht vor ihm flüchteten und sich schreiend zur Seite warfen. Er merkte nicht, daß er einige von ihnen berührte und verletzte.
Ein Haus brach über ihm zusammen, nachdem er die Außenmauer durchdrungen hatte.
Für einen kurzen Moment hüllten Staub und Trümmer ihn ein, doch sie hielten ihn nicht auf. Blind stürmte er weiter und raste ins Freie, quer durch ein glücklicherweise unbesetztes Lokal in eine Gasse hinaus, die in sanftem Bogen zum Ausstellungsgelände hinaufführte.
Hunderte von Männern, Frauen und Kindern standen in einer langen Schlange in der Mitte der Gasse und warteten darauf, eingelassen zu werden.
Für einen Sekundenbruchteil gewann Icho die Herrschaft über sein Ordinärhirn zurück.
Diese winzige Zeitspanne reichte nicht aus, seinen Amoklauf zu beenden, er konnte ihm jedoch eine geringfügig andere Richtung geben. Damit verhinderte er, daß er mitten in die Menschenmenge raste.
Gepeinigt brüllte er auf.
Er liebte die Menschen auf der Erde, und nichts lag ihm ferner, als ihnen irgendein Leid anzutun. Doch seine Schreie klangen den Menschen in der Gasse nicht wie die Hilferufe einer gequälten Kreatur in den Ohren, sondern wie das Brüllen eines angreifenden Monsters. Sie wichen zur anderen Seite der Gasse aus und hielten die Arme schützend über die Köpfe, als Teile von Stühlen und Tischen durch die Luft wirbelten. Männer und Frauen zogen ihre Kinder an sich, um sie vor Verletzungen zu bewahren.
Ein fettleibiger Springer, der an einem der Tische vor einem Restaurant gesessen hatte, versuchte, sich mit einem Sprung zur Seite zu retten. Die Lehnen seines Stuhls waren jedoch zu eng, so daß es ihm nicht gelang, sich aus dem Möbel zu lösen. Es blieb an ihm kleben, als sei es mit ihm verwachsen, und er landete bäuchlings in einer Pfütze.
Ein Roboter, der ein Bierfaß in ein Lokal transportieren wollte, blieb stehen. Icho Tolot raste mit dem Kopf voran gegen das Faß und zerschmetterte es. Eine Bierschaumwolke breitete sich explosionsartig aus.
Ein riesiger Terraner, der glaubte, Icho aufhalten zu können, warf sich ihm mit bloßen Händen entgegen und wirbelte im nächsten Moment wie ein Spielball durch die Luft.
Über der Gasse erschien ein ziviler Gleiter. Gernon Egk beugte sich aus dem Seitenfenster. Er hielt den Energiestrahler in der Hand und zielte damit auf den Haluter.
„Nein!" schrie Angela Gore neben ihm. Sie versuchte, den tödlichen Schuß zu verhindern. „Bist du wahnsinnig? Du wirst Unschuldige töten!"
Der ehemalige Polizist schoß.
Sonnenhell zuckte der Energiestrahl in die Gasse hinab. Er verfehlte Icho Tolot um etwa einen halben Meter und traf einen Roboter, der mit Getränken auf dem Weg zu den wartenden Menschen war. Die Maschine explodierte glücklicherweise nicht, sondern platzte auseinander und löste sich in ihre Einzelteile auf.
„Hör auf!" schrie Angela. „Nicht schießen!"
Gernon Egk schob sie mit der Hand zurück.
„Ich muß es tun", erwiderte er. „Du siehst doch, was er anrichtet. Es gibt massenhaft Tote, wenn ich es nicht tue."
Angela Gore blickte auf Icho Tolot hinab, der sich durch nichts aufhalten ließ. Die Menschenmenge vor dem Eingang des Ausstellungsgeländes teilte sich, und der Koloß in dem roten Anzug verschwand in der Mauer eines Ausstellungspavillons.
„Zu spät", stellte Egk resignierend fest. „Was jetzt passiert, geht auf deine Kappe."
Sie ließ den Gleiter wortlos absinken, landete zwischen den Resten von Stühlen und Tischen vor einem Restaurant und öffnete die Seitentür.
„Du hast von Anfang an nichts anderes vorgehabt", beschuldigte sie ihn. „Du wolltest dich rächen. Nichts weiter."
Er war sich darüber klar, daß sie am Ende ihrer Beziehungen waren.
„Sicher", erwiderte er. „Was dachtest du?"
Angela Gore wandte sich ab.
Es war erstaunlich ruhig geworden. Die
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