1021 - Ich jagte den untoten Engel
eine hellbraune Holzwand bildete die Rückseite des Ruderhauses.
Ich kam wieder zu Atem, blieb aber zunächst flach liegen. Zwei Pistolen mit geweihten Silberkugeln trug ich bei mir. Eine davon hatte Jane gehört, als sie noch normal gewesen war.
Ob der Engel damit zu töten war, stand in den Sternen. Ich glaubte auch nicht daran, aber ich trug noch mein Kreuz. Wenn er sich wirklich mit der Hölle verbündet hatte, dann würde er es hassen, weil es ihn vernichten konnte.
Sehr vorsichtig drückte ich mich in die Höhe, bis ich eine kniende Haltung erreicht hatte. Noch hing das Kreuz vor meiner Brust. Das würde sich ändern. Meine Finger näherten sich bereits der Kette am Hals, um sie zu umfassen, als die Tür an der Rückseite des Ruderhauses wuchtig aufgestoßen wurde.
Ich ließ das Kreuz vor der Brust hängen, denn Zeit hatte ich jetzt nicht mehr.
Doriel war da.
Er sprang mit einem geschmeidigen Satz aus dem Ruderhaus, während ich ebenfalls in die Höhe schnellte. Plötzlich standen wir uns auf dem fahrenden Boot gegenüber, das von Jane gelenkt wurde.
Doriel hatten angehalten und sich den zweiten Sprung erspart, der ihn in meine Nähe gebracht hätte.
Auf dem schaukelnden Boot hatte hatte ich breitbeinig Halt gefunden. Zum erstenmal sah ich den untoten Engel aus der Nähe, der zwar in der Erde gelegen hatte, aber nicht wie ein Leiche wirkte und auch keine Ähnlichkeit mit Belial, dem Herrn der Lügen, aufwies.
Er war ein Mensch. Zumindest äußerlich. Sein Gesicht schimmerte in bläßlicher Farbe. Ein stumpfes Weiß, ein fahles Grau, aber beides vermischt mit einem bläulichen Unterton. Doch keine Anzeichen auf eine Verwesung.
Auch seine Augen interessierten mich. Sie waren so unnatürlich hell. In ihnen zeichneten sich keine Pupillen ab. Er konnte nie richtig schauen, sondern nur starren.
Ob Doriel überrascht war, wußte ich nicht. Jedenfalls konnte ich meinen Triumph nicht länger zurückhalten, nickte ihm kurz zu und sprach ihn an. »Abgerechnet wird immer zum Schluß, Doriel. So schnell wird man mich nicht los.«
»Ja«, gab er zu. Sein Kinn ruckte vor. »Ich habe dich tatsächlich unterschätzt, Sinclair. Ich hätte besser auf Jane hören sollen, die mir von dir erzählt hat. Aber ich werde einiges nachholen, darauf kannst du dich verlassen. Dieses Boot hier wirst du nicht als lebendiger Mensch verlassen!«
»Ich halte dagegen!«
»Was willst du gegen meine Macht tun?«
»Hat dir Jane nichts berichtet?«
Er wurde unsicher. Das las ich an seinem Gesicht ab. Und er schaute auch zu, wie ich meine Hände wieder auf den Hals zubewegte, um das Kreuz hervorzuziehen. Wieder hielt ich die Kette zwischen den Fingerspitzen fest. Ich brauchte sie nur anzuziehen, um das Kreuz hochzuholen. Und ich wollte es schnell hinter mich bringen.
Auch Doriel wollte nicht länger warten.
Urplötzlich brüllte er auf. Er warf seine Arme in die Höhe, drückte seinen Oberkörper zurück, knickte dabei in den Knien ein und wuchtete die Fäuste in Richtung des mit Wolken bedeckten Himmels, als wollte er von dort Hilfe holen.
Seine Aktion hatte mich überrascht, aber nicht von meiner eigenen abgelenkt.
Ich zerrte das Kreuz hervor.
Es blitzte auf, ich spürte seine Wärme, die weißmagische Energie drang nach außen, denn sie hatte einen Feind gefunden, um ihn zu vernichten.
So dachte ich.
Aber ich irrte mich.
Doriel wehrte sich.
Er sagte dem Kreuz und natürlich auch mir den Kampf auf eine Art und Weise an, die ich nie und nimmer vermutet hätte…
***
Das Boot wurde in eine andere Dimension oder Welt hineingerissen. Wie sonst hätte ich mir die Blitze erklären sollen, die plötzlich über das Deck zuckten?
Es waren keine gelben, weißen oder auch fahlen Blitze, sondern graue, beinahe schon schwarze, und sie umtanzten den Körper des untoten Engels mit unwahrscheinlichen Energieentladungen. Sie hüllten ihn ein wie einen Mantel. Sie waren dunkel, sie spalteten die Luft, sie drangen wie Messer in den Körper der schreienden Gestalt, die genau im Zentrum dieser Entladungen stand.
Doriel schrie noch immer.
Keine Angstschreie. Eher Laute der Freude und auch der Wut oder des Triumphes. Dieses Energiezentrum war gewaltig. Es umtoste den untoten Engel, es spaltete ihn, und der gesamte Körper, der beinahe wie Stückwerk aussah, geriet in Bewegung.
Er drehte sich um die eigene Achse. Im Nu war eine graue Windhose entstanden, die sich immer schneller drehte, als wollte sie bestimmte Energien sammeln.
Ich hielt
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