1023 - Monster-Queen
Kommunikationspunkte. Oasen, in denen geredet und Informationen gehandelt wurden.
Kneipen. Pubs. Bistros, wie auch immer.
Letztere fielen hier weg, denn diese modernen und chicen In-Lokale paßten nicht in die Umgebung mit den alten Häusern, die dicht an dicht standen, unterschiedlich hoch waren, mal große, mal kleine Fenster aufwiesen, Umbauten vorgenommen worden waren, damit irgendwelche Leute ihre Geschäfte einrichten konnten.
Es gab hier alles zu kaufen, was das Herz des Käufers begehrte.
Was zum Leben nötig oder nicht nötig war. Nur eben preiswert und oft aus zweiter Hand.
Wir waren fremd in dieser Gegend und hatten das Gefühl, als Störenfried in eine Gemeinschaft eingedrungen zu sein. Es war keine Einbildung, denn die Blicke, die uns trafen waren oft genug prüfend und manchmal auch abweisend, abgesehen von einer multikulturellen Gesellschaft, die hier in dem Viertel ihre Heimat gefunden hatte.
»Wohin?« fragte Suko.
»Wie besprochen. Wir gehen in ein Lokal. Eine Kneipe. Da wird am meisten geredet.«
Mein Freund blieb stehen. »Such dir eine aus. Die Auswahl ist schließlich groß genug.«
Da hatte er nicht gelogen. Auf diesem Straßenstück verteilten sich einige Lokale. Die übliche Pizzeria war da, ein chinesischer Schnellimbiß ebenfalls, vor dem einige Halbwüchsige standen, Bier tranken und dabei ihre Nudeln unter Gelache und lautem Grölen mit Hilfe von Stäbchen zwischen die Lippen schieben wollten. Das indische kleine Restaurant lag auf der gegenüberliegenden Seite. Es war noch geschlossen. Davor stand ein bärtiger Mann und rauchte eine Zigarre. Auf seinem Kopf schimmerte ein kunstvoll geschlungener Turban in einem sehr hellen Weiß. Kaffee konnten wir auch in einer schmalen Bäckerei trinken, und es gab auch eine normale Kneipe. Sie befand sich ebenfalls in unserem Blickfeld.
Ich wies hin. »Gordon’s Inn«, las ich halblaut vor. »Das wäre doch was.«
»Nichts dagegen, John.«
Um hinzukommen, mußten wir die Straße überqueren. Wir ließen zwei Autos vorbei, die hier auch langsam fuhren, und betraten den anderen Bürgersteig. An der Hauswand des Lokals hockte ein müder Musiker. Er hatte seine Geige vor sich liegen und starrte sie an, als würde er sie hassen. Sein bleiches Gesicht lag im Schatten einer Hutkrempe. Um seine Schultern hatte er eine schmuddelige Decke gewickelt.
Die Tür bestand aus zwei Hälften. Die rechte davon stand offen.
Viel war von außen her trotzdem nicht zu sehen. Im Lokal war es ziemlich düster, hinzu kam der Rauch aus zahlreichen Zigaretten oder Zigarren. Auch der dunkle Boden tat sein übriges.
Zwar hatten wir noch nicht Abend, der Wirt jedoch konnte sich über Besuch nicht beklagen. An der Theke standen einige Unentwegte und zogen sich die Bierchen rein. Auch an den Tischen hockten Gäste. Die meisten waren männlichen Geschlechts. Auf die Schnelle zählte ich drei Frauen, die ihre Plätze ebenfalls an der Theke gefunden hatten und mit leeren Blicken auf eine Glotze schauten, die sehr hoch stand. In einem Winkel unter der Decke. Der Ton war abgestellt worden. Über den Bildschirm liefen Pferde auf einer Rennbahn.
Der Wirt, es konnte Gordon sein, stand hinter der Theke und spülte Gläser. Er war ein großer, fleischiger Typ. Allerdings mit hängenden Schultern, so daß sein Körper leicht flaschenförmige Maße bekommen hatte. Er trug ein dünnes Hemd mit einer nackten Frau als Aufdruck. Das fahle Haar hatte er nach hinten gekämmt. Im Nacken war es dann zu einem Zopf zusammengebunden.
Er hatte uns als einer der ersten gesehen, schaute plötzlich sehr erstaunt und stellte das Glas zur Seite, als wir auf die Theke zukamen, wo es Platz genug für uns gab.
Jetzt bemerkten uns auch die anderen. Die Frauen schauten interessierter. Möglicherweise stuften sie uns als spendabel ein oder als irgendwelche Kunden, und die Männer – alle Alterstufen waren vertreten – bekamen schmale Augen.
Freundlich wurden wir nicht empfangen. Allein durch die Gesten gab man uns zu verstehen, daß wir nicht in diesen abgesteckten Gästerahmen hineinpaßten.
Uns machte das nichts aus. Wir gaben uns locker. Die Blicke übersahen wir und nickten dem Wirt freundlich zu.
»Was wollt ihr trinken?«
»Cola«, sagte Suko.
»Aber aus der Dose«, fügte ich hinzu. »Ich liebe das Zischen, wenn die Lasche reißt.«
Gordon stemmte seine Hände auf die Theke. »Haut ab«, sagte er nur. »Verpißt euch.«
Wir blieben stehen. »Warum sollten wir denn verschwinden?«
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