1023 - Monster-Queen
dessen Fernglas auf Ihre Fenster gerichtet war. Da kommen schon einige ungewöhnliche Tatsachen zusammen. Das müssen Sie zugeben.«
Sie prustete uns an. »Jetzt sagen Sie nur noch, daß er nicht mich, sondern das Monster beobachtet hat.«
»Vielleicht beide?«
»Hören Sie auf, Sinclair. Sie und Ihr Kollege reden sich da etwas ein. Aber ich möchte nicht unkooperativ sein. Ich stelle Ihnen meine Wohnung zur Verfügung. Durchsuchen Sie jedes Zimmer. Schauen Sie in jeden Winkel und in jeden Schrank. Wühlen Sie alles durch. Ich werde auch keine Beschwerde bei Ihrem Vorgesetzten einlegen. Wenn Sie dann etwas finden, ist es mir egal.«
»Das ist nicht nötig.«
»Na wunderbar. Dann kann ich ja davon ausgehen, daß Sie das Untier nicht bei mir vermuten. Ich frage mich nur, weshalb Sie dann in meine Wohnung gestürmt sind.«
Das mußten wir uns auch fragen. So gesehen hatte Cynthia recht.
Es gab für uns keine Handhabe, um gegen sie vorzugehen. Trotzdem kamen wir beide uns nicht lächerlich vor. In dieser Wohnung versteckte sich etwas. Es gab ein Geheimnis, das war für uns zu spüren, leider nicht zu sehen. Bisher hatte sich Cynthia Carinelli normal verhalten, wenn auch noch recht beherrscht. Aber ihr gefiel nicht, daß wir noch blieben und uns umschauten.
»Was ist denn jetzt noch?« fragte sie.
Ich konnte es ihr nicht genau sagen und stellte ihr deshalb eine Frage. »Haben Sie eigentlich keine Angst, Cynthia?«
Sie lachte unsicher. »Wovor sollte ich denn Angst haben?«
»Daß Sie irgendwann nicht mehr Herrin der Situation sein könnten. Sie sind ein Mensch, Cynthia. Möglicherweise glauben Sie, das Monstrum beherrschen zu können. Das haben wir schon öfter erlebt, aber Sie werden verlieren. Letztendlich sind Sie immer die Dumme, und die andere Seite wird siegen.«
»Welche andere Seite denn?«
Ich hob die Schultern. »Wie auch immer.«
»Reden Sie doch nicht so einen Mist. Ich will, daß Sie von hier verschwinden, das ist alles.«
»Gut, gehen wir.«
»Na endlich.«
Suko blickte mich für einen Augenblick erstaunt an, sah das kurze Zwinkern meines rechten Auges und wußte Bescheid. Er schloß sich mir an. Cynthia brachte uns bis zur Tür. Diesmal schauspielerte sie nicht so gut. Wir sahen ihr an, daß sie froh darüber war, uns endlich loszuwerden. Sie schob uns fast in den Flur hinein. Sofort schlug sie die Tür hinter uns zu.
Sehr laut ging ich vor und dabei die Treppe hinab. Es war ein alter Trick, den Suko schnell durchschaute. Als wir den ersten Absatz erreicht hatten, huschten wir wieder hoch, eilten auf leisen Schritten an der Tür vorbei, um dann die Treppe hoch zu laufen und außer Sichtweite der Wohnungstür stehenzubleiben.
»Du traust ihr nicht, wie?«
»Du denn?«
Suko schüttelte den Kopf. »Nein, diese Dame hat uns etwas vorgespielt. Sie muß mit dem Untier in einer Verbindung stehen. Sie ist so etwas wie eine Monster-Queen.«
»Das denke ich auch.«
»Wie lange willst du warten?«
»Bis etwas passiert. Ich glaube nicht, daß wir uns hier die Beine in den Bauch stehen.«
»Das stimmt allerdings.«
Suko hatte die Antwort kaum geflüstert, als wir das berühmte Geräusch hörten. Es entsteht, wenn jemand eine Tür öffnet, die sich nicht lautlos aufschieben läßt.
So geschah es auch einen Absatz tiefer. Dort hatte Cynthia Carinelli ihre Wohnungstür behutsam aufgedrückt. Bestimmt nicht ganz.
Die Hälfte reichte auch, um einen guten Blick in den Hausflur zu bekommen und um sich davon zu überzeugen, daß ihre beiden unwillkommenen Besucher verschwunden waren. Hoffentlich kam sie nicht auf die gleiche Idee wie wir. Darauf deutete nichts hin, denn sie blieb tatsächlich an der offenen Tür stehen, was wir nicht sehen, aber hören konnten.
Ihr Lachen war leise. Es klang boshaft und schadenfroh zugleich.
Dann flüsterte sie etwas, das wir nicht verstanden. Anschließend schloß sie die Tür wieder.
»Was jetzt?« fragte Suko.
Ich lächelte. »Sie hat etwas vor. Zudem klang sie sehr zufrieden. Wie dick ist die Tür?«
»Geht so. Willst du sie aufbrechen?«
»Im Notfall schon.«
»Ich bin dabei.«
»Bleibt dir auch gar nichts anderes übrig«, erklärte ich grinsend.
Wir gingen wieder nach unten und bemühten uns auch jetzt, so leise wie möglich zu sein. Im Haus selbst war es zum Glück ruhig geblieben. Die Kollegen unten hielten die Leute davon ab, wieder zurück in ihre Wohnungen zu gehen.
Ich fragte mich immer wieder, welches Geheimnis diese Cynthia Carinelli umgab.
Weitere Kostenlose Bücher