1026 - Blutige Vergangenheit
John rechts vor ihm stand und Duncan dem Geisterjäger gegenüber, an der anderen Seite.
Auf die lief Suko zu. Er bewegte sich geduckt. Er hatte es plötzlich eilig. Sein Gefühl sagte ihm, daß er schnell sein mußte. Das Ende dieser alten Ruinenmauer kam ihm so weit vor. Er hörte die beiden auch nicht mehr reden, doch ihr Gespräch hatte sich in eine gefährliche Richtung hinbewegt.
Sie konnte tödlich enden…
Suko erreichte das Ende der Mauer. Für einen Moment blieb er stehen, dann drehte er sich um die schmale Seite herum und konnte den Weg zurückschauen, den er auch gelaufen war. Allerdings von außen, John und der andere standen innen.
Der andere?
Nein, es waren zwei. Obwohl Suko nur einen kurzen Blick in den Gang zwischen die beiden Mauern geworfen hatte, war ihm alles klargeworden. Dieser Duncan Sinclair hatte seine beiden Körper entstehen lassen. Einer stand vor John, lenkte ihn durch das Sprechen ab, während der zweite hinter dem Rücken seines Freundes stand und einen Revolver in der Hand hielt, was John aber nicht sehen konnte.
Suko zog die Beretta ebenfalls.
Er hatte noch überlegt, seinen Stab einzusetzen, um die Zeit anzuhalten. Das wäre auch gegangen, hätte John nicht so etwas wie sein eigenes Todesurteil erfahren und wäre herumgefahren.
Er starrte den echten Duncan Sinclair an.
Er sah auch die Waffe.
Und er wußte, daß Duncan Sinclair nicht zögern würde, ihn zu töten.
Da fiel der Schuß!
***
Den hatte auch ich gehört. Ich war zusammengeschreckt, ich erwartete auch den Einschlag der Kugel, die mein Leben auslöschte, aber das blieb aus.
Ich wurde nicht getroffen. Statt dessen sah ich, wie Duncan Sinclair taumelte, wie er versuchte, sich auf den Beinen zu halten, es aber nicht schaffte und gegen die Mauer prallte, wo er zusammensank. Den Revolver hatte er verloren. Er lag auf dem Boden wie ein Relikt ohne Wirkung.
Ich sah Suko. In der rechten Hand hielt er die Beretta, aus der er die Kugel abgefeuert hatte. Mit der linken winkte er mir zu und zeigte dabei ein knappes Ziel.
Sein Ziel war Duncan Sinclair, während ich mich drehte, um mich um seine feinstoffliche Gestalt zu kümmern.
Sie war nicht mehr da. Blitzschnell hatte sie sich aufgelöst. Jedenfalls war der Platz leer.
Suko sprach mich an. »John, ich glaube, daß ich ihn gut getroffen habe.«
»Das dachte ich mir.«
Mit etwas müden Schritten schlenderte ich auf Suko und Duncan Sinclair zu.
Er lag und saß zugleich. Mit der Schulter konnte er sich an der Mauer abstützen, was allerdings nicht mehr nötig war. Er lebte nicht mehr. Die geweihte Silberkugel war tief in seinen Körper eingedrungen und hatte sein unseliges Leben gelöscht.
Auch ich kniete mich neben ihn. Ich hob den Kopf und legte dabei zwei Finger unter sein Kinn. Der arrogante Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Jetzt sah es einfach nur grau aus. Grau und tot. Die Augen wirkten wie sprödes Glas, nichts an ihm bewegte sich mehr. Ich suchte nach dem Einschußloch und fand es schräg in seinem Rücken.
Suko hatte meine Bewegungen schweigend verfolgt. »Es ging nicht anders, John, ich mußte schießen.«
»Danke«, sagte ich nur.
Er winkte ab und fragte zugleich: »Ist das jetzt alles gewesen? War es so leicht? Eine Silberkugel, und aus ist es?«
»Sieht so aus.«
»Das kann ich nicht glauben. Ich habe zufällig Teile eurer Unterhaltung mitbekommen, weiß jetzt, wie er heißt und welches Schicksal er erlitten hat. Der hat es doch geschafft, den Tod zu überwinden. Er ist ein lebender Toter, wenn man so will.«
»Stimmt.«
»Wie oft haben wir diese Zombies schon mit einer geweihten Silberkugel erledigt?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Ich auch nicht, John. Aber eines steht fest. Ob Vampir, Werwolf, Ghoul oder wer auch immer, diese Wesen haben sich alle aufgelöst, nachdem sie die Kraft des geweihten Silbers spürten. Und das ist bei Duncan Sinclair nicht der Fall. Du kannst dir denken, worauf ich hinauswill?«
Ich hatte noch immer den positiven Schock der Rettung zu verdauen, deshalb war ich nicht sehr gesprächig. Doch Sukos Schlußfolgerung machte mich schon nachdenklich. Er hatte völlig recht, was die Kraft der geweihten Kugel betraf. Nur nicht in diesem Fall.
»Was folgerst du daraus?« fragte ich.
Suko hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was ich daraus folgern soll, wenn ich ehrlich bin.«
»Für dich ist es noch nicht erledigt?«
»So könnte man es sehen.«
»Und weiter?«
»Wir könnten ihn noch einmal töten.
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