1026 - Blutige Vergangenheit
habe ich gesehen.«
»Kümmerst du dich um sie?« fragte ich.
»Klar. Ich kenne ihre Mutter und bringe Helen zurück.« Karen warf der Ruine einen langen und nachdenklichen Blick zu. »Wie sieht es aus? Was ist mit ihm?«
»Entkommen.«
Karen schloß für einen Moment die Augen. »Das mußte ja so sein«, flüsterte sie. »Das habe ich mir gedacht. Er ist nicht zu stoppen. Oder doch?« Sie blickte uns hoffnungsvoll an.
Ich hob die Schultern. »Man weiß es nicht.«
»Ehrlich, John!«
Ich zog sie zur Seite, während wir dem Camp entgegengingen.
»Wir haben ihn so gut wie gehabt, Karen, aber dann ist er uns entwischt. Mit Ruhm haben wir uns nicht gerade bekleckert, aber es war auch so gut wie unmöglich, ihn zu stoppen. Er besitzt Kräfte, von denen wir nichts gewußt haben.«
»Welche?«
Ich erklärte ihr die Einzelheiten. Dabei erbleichte Karen immer mehr, und sie wollte es auch nicht fassen. »Nein, John, wie kann jemand nur so reagieren?«
»Das müssen wir herausfinden.«
»Hast du so etwas schon mal erlebt?«
»Bisher noch nicht.«
»Und wo könnte er jetzt sein?«
»Keine Ahnung. Irgendwo in einem Versteck bei den alten Ruinen.«
»Gibt es die?«
»Davon gehe ich mal aus. Gesehen habe ich sie auch nicht. Aber die Mauern sind schon größer als sie von hier unten erscheinen, das kannst du mir glauben.«
»Sicher. Und sie flößen mir auch Unbehagen ein, obwohl es eine Sinclair-Ruine ist.«
»Na ja, unsere Vorfahren waren nicht eben treue Bäckerburschen.«
»Das hört sich an, als wüßtest du mehr.«
»Ja, irgendwo schon, Karen. Ich hatte die Chance, mit Duncan sprechen zu können und…«
»Er heißt Duncan?«
Ich bestätigte es durch ein Nicken.
»Und weiter?«
Wir konnten beide normal sprechen. Suko und die Kleine hielten den nötigen Abstand. Helen hatte Sukos Hand gefaßt. Sie wollte ihn nicht loslassen.
Ich zog Karen ins Vertrauen, die sich überfordert fühlte und sich schüttelte. »Um Himmels willen. Wenn ich es geschafft hätte, die Ruine zu erreichen, dann wäre ich wohl jetzt nicht mehr am Leben.«
»Das könnte sein, Karen. Aber sein großes Ziel ist etwas anderes. Er will vernichten. Er will Rache. Man hat ihn verhungern lassen, und er hat es geschafft, den Tod zu überwinden. Wie das möglich gewesen ist, weiß ich noch nicht. Jedenfalls hat er allen Sinclairs den Kampf angesagt, als würde er in jedem Menschen mit diesem Namen seinen eigenen Vater sehen.«
»Ein Psychopath, John!«
Ich zog den Mund schief. »Wenn es das mal wäre. Nein, der ist noch schlimmer. Bei ihm kommt noch hinzu, daß er von einer Seite Unterstützung erhalten hat, die von den meisten Menschen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird. Die dunkle Seite des Lebens. Dämonisch und magisch.«
»Du sprichst wie ein Exorzist.«
»Das bin ich bestimmt nicht.«
»Ist auch egal«, sagte Karen. »Aber was sollen wir jetzt tun? Wir können all die Menschen doch nicht in ihr Elend hineinrennen lassen.«
»Das ist richtig. Mal eine andere Frage. Hast du einen Vorschlag zur Änderung?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Zumindest keinen, der greifen würde. Was wird geschehen, wenn du den Leuten plötzlich erzählst, daß ihre Feier bei den Ruinen aus den und den Gründen nicht stattfinden kann.«
Karen überlegte nicht lange. »Das kann ich dir sagen. Die würden uns für verrückt erklären und uns kein Wort glauben.«
»Eben, das meine ich auch. Man würde uns nicht glauben. Deshalb ist es unmöglich, das abendliche Fest zu stoppen. Selbst die Warnung vor einer Bombe würde sie nicht abhalten.«
Karen nickte, räusperte sich dabei und sagte schließlich: »Das Fest wird folglich stattfinden.«
»Ja, das meine ich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Und was werdet ihr unternehmen?«
»Die Augen offenhalten.«
»Ihr wollt Duncan finden?«
»Ja, den untoten, toten, lebendigen oder wie auch immer Sohn des vierten Earl of Sinclair.«
»Davon habe ich auch noch nie etwas gehört. Du?«
»Nein, der Name ist mir ebenfalls neu.«
»Aber ich stamme doch aus diesem Zweig. Sonst wäre ich nicht hierher eingeladen worden. Du hast keine Einladung bekommen. Also stammst du auch nicht von dieser Linie ab.«
»So könnte man es sehen. Ich frage mich nur, warum er die beiden Sinclairs in London auf eine so bestialische Art und Weise umgebracht hat. Er hätte sie auch hierher einladen können.«
»Wollte er ein Zeichen setzen?«
»Wahrscheinlich.«
»Warten wir es ab«, sagte Karen stöhnend. »Alles andere wird
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