1026 - Blutige Vergangenheit
sie?«
»Das sage ich dir lieber nicht, Karen.«
»Danke, so kann man auch einem Menschen Mut machen…«
***
Die vier Männer hatten wirklich schnell gearbeitet und die Ruine in einen Partyplatz verwandelt. Da gab es nicht nur die Fässer mit dem Bier, es waren auch Grills aufgebaut worden und bereits mit Holzkohle bestückt.
Wir wurden etwas schief angesehen, als wir so plötzlich erschienen. »Es gibt noch nichts. Das dauert alles. Ihr könnt noch eure Runden drehen. Später.«
Ich ging auf den Sprecher zu. »Mal eine Frage. Ihnen ist hier nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Was meinen Sie denn damit?«
»Haben Sie einen Fremden gesehen?« Ich beschrieb mit knappen Worten die Gestalt des Duncan Sinclair.
»Nein, haben wir nicht. Aber warum wollen Sie das wissen?«
»Persönliches Interesse.«
Ich hätte die Antwort lieber nicht geben sollen, denn der andere Sinclair war mißtrauisch geworden. »Hören Sie mal, das glaube ich Ihnen nicht. Bestimmt kein persönliches Interesse oder nur teilweise. Das ist doch gespielt.«
»Nein, ist es nicht.«
»Was soll der Quatsch denn mit Ihrer komischen Beschreibung? Ich habe den nicht gesehen – okay?«
»Ja, ist schon gut.«
»Und auch nicht unten auf dem Platz. Ich mag sowieso keine neugierigen Leute. Nicht einmal dann, wenn sie Sinclair heißen. Deshalb wäre es am besten, wenn Sie sich wieder verziehen. Und nehmen Sie Ihren Kumpel mit.«
»Wir bleiben.«
»Okay, aber dann stört uns nicht. Wir haben hier noch zu arbeiten.« Er drehte sich um und ging.
Ein uneinsichtiger Mensch, aber ich hätte ihm auf keinen Fall mit der Wahrheit kommen können. Die hätte er mir nie und nimmer abgenommen.
Der Grill und die Bierfässer waren dort aufgestellt worden, wo wir Helen Sinclair aufgefangen hatten. Die hohen Felswände warfen schwache Schatten. Der breite Gang dazwischen kam mir jetzt wie eine Falle vor. Unwillkürlich schaute ich in die Höhe. Diesmal malte sich die Gestalt des Duncan Sinclair nicht auf der Mauerkrone ab.
Ich zog mich wieder zurück. Sinclair und Suko hatten außerhalb gewartet. Nahe der Steilklippen standen sie. Seevögel schwebten über ihre Köpfe hinweg. Von ihrem Ort aus konnten sie die Reste des alten Castles am besten überblicken.
»Es wird alles so laufen wie geplant«, sagte ich.
»Das dachte ich mir«, murmelte Suko. »Aber gesehen haben wir beide ihn auch nicht.«
»Wie auch.«
»Wo könnte er sich denn versteckt halten?« fragte Karen. »Der hat sich doch nicht in Luft aufgelöst. Diese Ruinen waren für ihn eine Heimat, und sind es auch jetzt.«
Ich dachte über die Worte nach. Irgendwie hatten sie mich berührt. Und in meinem Innern stieg auch so etwas wie ein Stück Erinnerung hoch.
Ich dachte an meine Unterhaltung mit Duncan Sinclair. Er hatte mir genau erklärt, wie man ihn damals hatte umbringen wollen.
Eingesperrt in einen Turm, tief im Verlies.
Turm?
Verdammt, der Turm stand noch. Ich brauchte nur ein paar Schritte gehen, um ihn zu erreichen. Er war zwar vom Verfall nicht verschont geblieben, aber die meisten Mauern standen noch. Sehr nachdenklich strich ich über mein Kinn, was Suko nicht verborgen blieb, und er fragte sofort: »Was hast du?«
»Ich denke an den Turm. Da hatte man ihn hineingesteckt. Dort ist sein Verlies gewesen.«
»Und könnte auch heute noch sein Versteck sein?«
»Ja.«
»Gut, schauen wir uns das Ding an.«
»Nein, nicht du. Ich werde es tun. Einer von uns muß hier in der Nähe bleiben, sollte Duncan plötzlich auftauchen.«
Suko stimmte zähneknirschend zu.
Ich machte mich auf den Weg.
***
Die Mauern des Turms strahlten einen ungewöhnlichen Geruch ab.
Sie rochen kalt, irgendwie auch salzig und sogar verbrannt, wie ich fand. Gräser und Moose hatten sich in das Gestein hineingefressen und schauten an den verschiedensten Stellen wieder hervor. Ich sah breite Risse und auch Trümmerstücke, die neben dem Turm in den Boden gerammt waren.
In der unteren Hälfte sah er noch recht stabil aus. Weiter oben nicht. Da mußte er von mehreren Geschossen getroffen worden sein, und sie hatten dort mächtige Löcher gerissen.
Ich suchte nach einem Eingang. An der den Ruinen zugewandten Seite fand ich ihn nicht. Folglich ging ich um den Turm herum und entdeckte ihn auch.
Es gab keine Tür, die mich abgehalten hätte. Dafür türmte sich vor dem Eingang der Schutt. Ich mußte über die im Weg liegenden Steine hinwegsteigen, um in eine Umgebung zu gelangen, in der es nicht nur feucht war,
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