1026 - Blutige Vergangenheit
einiges verändert.«
»Sind die Leute schon oben?«
»So gut wie. Im Moment wird die Lawine noch strömen. Wenn ich ehrlich sein soll, dann hasse ich Familientreffen.«
»Ich jetzt auch.«
Der Turm war zunächst nicht mehr wichtig für uns. Hier hatte sich ein tragisches Stück Familiengeschichte abgespielt. Ich wollte ungern noch länger mit dieser blutigen Vergangenheit konfrontiert werden. Für mich war die Verwandlung des Duncan Sinclair wichtiger. Darüber sprach ich auch mit Suko.
Ich beschrieb die Gestalt so gut ich konnte. Mein Freund schüttelte den Kopf. »Haben wir so etwas schon mal erlebt?«
»Eigentlich nicht.«
»Könnte er denn eine Kreatur der Finsternis sein?«
»Du wirst lachen, darüber habe ich ebenfalls nachgedacht und tendiere zu dieser Möglichkeit. Sollte es tatsächlich stimmen, ist er ein besonderes Exemplar dieser Gattung. Halb Teufel, halb Mensch, wie auch immer.«
»Kann es sein, daß er möglicherweise so werden wollte wie der Teufel?« fragte Suko.
»Ist alles drin.«
»Kann er reden?«
Ich hob die Schultern. »Irgendwie schon. Wenn, dann ist er schwer verständlich. Er hat mir irgend etwas hochgeschrien. Seine Worte waren mehr ein Gemenge. Verstanden habe ich so gut wie nichts, aber das könnte sich ändern, wenn er die Grillparty besucht.«
»Und das wird er!« Suko legte mir eine Hand auf die Schultern.
»Komm, hier haben wir nichts mehr zu suchen.«
Ich gab ihm recht. Dennoch warf ich einen Blick zurück. Ich schaute dorthin, wo sich die Luke schwach im Boden abzeichnete. Sie war noch immer ein Ein- und auch Ausgang. Vergessen konnte ich sie nicht. Und es war auch vorstellbar, daß Duncan Sinclair es schaffte, sich an den Wänden in die Höhe zu hangeln und sein Versteck zu verlassen. Oder es gab einen zweiten, unterirdischen Ausgang.
Wie auch immer, wir konnten jetzt nichts mehr unternehmen und mußten abwarten. Aber Sinclair hatte zwei Niederlagen erlitten. Er handelte nicht mehr so kalt und überlegt. Das konnte unsere Chance sein. Nein, das mußte sie sogar sein. Ich wollte endlich einen Strich unter die blutige Vergangenheit ziehen…
***
Ja, es hatte sich einiges verändert. Ich kannte die Ruinen des Sinclair Castle nur als dunkles, bedrohlich wirkendes Mauerwerk. Dieser Eindruck war verblaßt, denn zwischen den Mauern schaukelten die Girlanden mit den bunten Lichtern. Der Wind spielt mit ihnen, so daß das bunte Licht immer andere Szenen schuf. Farbige Spiele, mal rot, mal grün, mal gelb und auch anders leuchtend, wenn die Farben ineinanderflossen.
Die Masse hatte es geschafft. Wahrscheinlich war niemand mehr unten im Camp geblieben. Frauen, Männer und Kinder hatten sich den breiten Hang hinaufgeschoben und sich zwischen den Ruinen verteilt. Sie alle waren schon ziemlich angetrunken, aber sie hatten ihren Spaß. Das Bier floß in Strömen, und wieder hatte sich der Geruch von gegrilltem Fleisch ausgebreitet.
Die Händler unten hatten ihre Buden dichtgemacht. Sie würden erst am nächsten Tag wieder etwas verkaufen.
»Wo steckt eigentlich Karen?« fragte ich Suko, nachdem ich nach ihr Ausschau gehalten hatte, ohne sie zu entdecken.
»Sie ist hier.«
»Klar ist sie hier. Aber seid ihr zusammengeblieben?«
»Nur für eine gewisse Weile. Sie kannte einfach zu viele Leute. Die haben sie mitgenommen. Außerdem sehe ich nicht gerade aus wie ein Sinclair. Auch nicht aus einer Seitenlinie stammend.«
»Da stimmte ich dir ausnahmsweise zu.«
»Wie nett.«
Im Gang zwischen den beiden höchsten Mauern war der Mittelpunkt der Feierei aufgebaut worden. Sogar die Dudelsack-Band hatte sich hier versammelt, und die Männer in ihren Kilts spielten, was die Pfeifen und Blasbälge der Instrumente hergaben.
Ich war vielleicht zu wenig Schotte, um daran für eine lange Zeitspanne Gefallen finden zu können, aber die meisten meiner Namensvettern hatten Spaß und vergaßen auch das Tanzen nicht.
Dazu hatten sich nicht erst Paare finden müssen. Es tanzten genügend Leute allein.
Die Kinder hatten den größten Spaß, während sie mir Sorgen bereiteten. Sie waren die leichteste Beute für Duncan Sinclair.
»Man kann sie auch nicht zusammenhalten«, sagte ich.
»Wen?«
»Die Kinder.«
»Ja, an sie habe ich auch gedacht und auch mit Karen darüber gesprochen. Sie war der gleichen Meinung.«
»Was hältst du davon, wenn wir uns trennen?« schlug ich vor und blieb stehen.
»Und dann?«
»Werden wir patrouillieren. Die Ruine umkreisen. So besteht zumindest die
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