1027 - Der Traum vom Schwarzen Tod
sich trug. Er war also da, er lebte noch, es ging ihm gut, und er konnte sich sogar bewegen, denn der Lichtarm wanderte durch den unteren Bereich des Hauses.
Das kam ihr alles sehr entgegen und trieb auch wieder die Hoffnung in ihr hoch.
Nicht weit vom Eingang blieb sie stehen. Kathy konnte jetzt die Tür sehen, aber auch die beiden Fenster in diesem unteren Bereich, über dessen Scheiben das Licht nicht direkt hinwegstrich. Es zielte mehr in das Innere des Hauses hinein.
Hingehen? Die Tür öffnen? Johnny unterstützen? Kathy war schon neugierig. Schließlich waren auch ihre Eltern in diesem Haus verschwunden oder hielten sich dort versteckt.
Mit kleinen Schritten näherte sich Kathy der Tür und hatte dabei den Eindruck, als würde sie von einer fremden Kraft geleitet, die die Kontrolle über sie bekommen hatte.
Etwas klumpte sich in ihrem Magen zusammen. Es lag dort wie ein heißer Stein. Über den Rücken dagegen rann ein kalter Schauer.
Kathy hatte sich entschlossen. Sie wollte das Haus betreten. Johnny sollte nicht mehr länger bleiben und…
Staunend blieb sie stehen. Es war etwas passiert, mit dem sie niemals gerechnet hätte.
Licht im Haus. So hell, daß es durch die Fenster schimmerte, aber seltsamerweise nicht nach draußen drang, sondern innerhalb des Raumes gefangen blieb. Da besaßen die Fenster die gleiche Funktion wie eine Hauswand.
Kathy kam damit nicht zurecht. Sie schüttelte den Kopf, aber sie freute sich nicht über die Helligkeit. So etwas wie Angst davor stieg in ihr hoch. Angst vor dieser ungewöhnlichen Helligkeit, die anders war als das Licht einer normalen Sonne.
Wie von einem Band gezogen bewegte sich Kathy auf eines der Fenster zu. Sie mußte einfach sehen, was im Haus Vorging. Das Fenster lag ziemlich hoch. Kathy stellte sich auf die Zehenspitzen, um durch die Scheibe schauen zu können.
Sie hatte zwei gesunde Augen. Was sie aber innerhalb des Hauses zu sehen bekam, ließ sie beinahe an ihrem Verstand zweifeln. Das war kein normales Haus mehr, das war etwas völlig anderes. Eine Bühne, aber nicht leer, sondern ausgefüllt von einer mächtigen gelbroten Sonne im Hintergrund. Und innerhalb dieser Sonne – oder war es kurz davor? – stand Simon Rogers, Johnnys Freund. Es schien ihm gut zu gehen. Jedenfalls machte er keinen ängstlichen oder bedrückten Eindruck. Er sah fast glücklich aus.
Sie verdrehte den Kopf, um Johnny sehen zu können. Es war nicht möglich, denn er stand im toten Winkel und einfach noch zu dicht vor der Tür.
Aber er war da, denn Simon redete mit ihm. Verstehen konnte Kathy die Worte nicht, da die dicken Steinmauern jeden Schall und auch jedes Wort schluckten. Sie sah es nur an Simons Reaktion.
Feindlich Johnny gegenüber kam sie ihr nicht vor. Dennoch blieb Kathy vorsichtig. Dies war auf keinen Fall normal. Es war eine Falle.
Für Johnny, für Simon und auch für ihre verschwundenen Eltern.
Noch war Johnny da. Kathy wollte auf keinen Fall, daß auch er verschwand und in irgendeiner Fremde blieb.
Sie zog sich vom Fenster zurück. Irgendwie hatte sie eine Ahnung, daß sie direkt zu ihm mußte, um ihm auch sicher helfen zu können.
Es war nicht einfach für Kathy, das Haus zu betreten. Das kostete sie schon Überwindung, aber es ging nicht anders.
Bis zur Tür waren es nur wenige Schritte. Auf dem Weg dorthin dachte sie über einen Plan nach, der sie weiterbrachte. Sie durfte nicht zu lange zögern, die Tür aufreißen, Johnny packen und ihn einfach ins Freie zerren.
Hoffentlich war alles so leicht, wie sie es sich gedacht hatte. Hoffentlich…
Vor der Haustür blieb sie für einen Moment stehen. Alles war so einfach. Öffnen, hineingehen und…
Sie tat es.
Kathy riß mit einem Ruck die Haustür auf. Sie hatte sich alles so gut vorgestellt. Was aber in den folgenden Sekunden auf sie einstürmte, war so ungeheuerlich, daß sie es kaum fassen konnte.
Das war schon der absolute Wahnsinn. Im Licht dieser falschen anderen Sonne sah sie hinter Johnny ein mächtiges Skelett stehen, dessen Klauenhände auf den Schultern ihres Freundes lagen.
Es war dabei, Johnny zurückzuzerren, und das Ziel mußte einfach die Sonne im Hintergrund sein.
Kathy hatte der Schock unbeweglich gemacht! Aus ihrem Gesicht war sämtliche Farbe gewichen. Sie wirkte so blutleer wie ein uralter Vampir, der über Jahre hinweg nicht mehr den Lebenssaft eines Menschen getrunken hatte.
Das Gefühl der Angst bohrte sich wie Messer in ihren Körper hinein. Die normalen Umrisse
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