1029 - Evitas Folterkammer
kommen.«
»Und sich an uns zu wenden?« fragte Suko skeptisch.
»Das ist die Crux dabei.«
Suko hob die Schultern. »Ist jetzt auch egal, Bloch wird es uns schon sagen.«
Unser Gespräch schlief ein. Ich hörte den Nachrichten aus dem Radio zu. Überflutungen in Polen, Tschechien und Ostdeutschland.
Dieser Sommer war für bestimmte Gebiete eine Katastrophe. Wenn ich Deutschland hörte, dachte ich automatisch an meinen Freund Harry Stahl und dessen Partnerin Dagmar Hansen, die Psychonautin. Beide arbeiteten für die Regierung, und es lag schon länger zurück, daß wir etwas von ihnen gehört hatten. Allerdings waren sie auch im Urlaub gewesen und hatten mir eine Ansichtskarte aus den Bergen geschickt.
Jenseits der City dünnte der Verkehr aus, dafür bekamen wir den ersten Regen mit. Er fiel in kleinen Sprühtropfen aus den Wolken und erinnerte mehr an einen Schleier.
Suko mußte langsamer fahren, da sich auf der Straße ein Schmier bildete. Kein gutes Landewetter, da konnte es zu Verspätungen kommen. Wir erreichten unser Ziel trotzdem überpünktlich und stellten den Rover auf einem der Parkplätze ab.
Wie graue, fliegende Schatten sahen die landenden oder startenden Maschinen aus. Die Wolken hingen jetzt tiefer, und der Regen war auch dichter geworden.
Wir sahen zu, daß wir die Eingangshalle erreichten oder eine von ihnen und schauten auf der Tafel nach. Die Maschine aus Paris war bereits angekündigt worden. Wie es aussah, hatte sie auch keine Verspätung.
»Noch eine halbe Stunde«, sagte ich. »Frage: Wie kriegen wir die Zeit herum?«
»Hast du Hunger?«
»Ich könnte etwas vertragen. Aber nichts Schweres.«
»Dann laß uns gehen.«
Wir fanden ein offenes Bistro, das wie eine Insel inmitten des Trubels lag. Dort gab es eine französische Ecke, zumindest konnten wir frische Croissants kaufen. Mir reichte ein Hörnchen, Suko nahm gleich zwei und auch Konfitüre. Dazu trank er Tee. Ich entschied mich ebenfalls dafür. Beim Trinken eines fremden Kaffees mußte ich immer an den unserer Sekretärin Glenda Perkins denken. Da ließ ich es lieber.
Die Croissants konnte man essen. Zumindest waren sie nicht alt, und auch die Konfitüre war nicht zu süß.
Wir hatten die letzten beiden freien Plätze ergattern können. Am nicht weit entfernt stehenden Nebentisch saß eine Frau mit wilden, blonden, strähnigen Haaren, die einen Kaffee trank und dabei des öfteren auf ihre Uhr schaute.
Ich sah sie vom Profil her. Sie hatte eine etwas längere, aber fein gewachsene und nach oben hin leicht geschwungene Nase. Dazu paßte auch das schmale Gesicht und der breite Mund. Die Frau trug eine schwarze Hose und einen dunkelbraunen Pullover. Der dünne, helle Übergangsmantel lag auf ihren Beinen.
Ihr gegenüber saß ein dunkelhaariger Mann mit feurigen Augen, der versuchte, die Frau anzumachen. Sie aber ließ ihn mit einer Coolness abfahren, wie sie mir selten untergekommen war. Nach einigen vergeblichen Versuchen gab der Knabe auf, packte seinen Aktenkoffer und verschwand mit langen Schritten.
Suko grinste mich an. Ich wußte auch den Grund. »Man kann eben nicht alles haben«, sagte ich.
»Zum Glück.«
»Eben.«
Es war inzwischen Zeit genug verstrichen. Wir standen auf, und auch die Frau am Nebentisch erhob sich. Sie war um die Dreißig, ziemlich groß, und jetzt, aus der Nähe konnte ich auch die Farbe ihrer Augen sehen, die braun und grünlich schimmerten. Eine Farbe, die ich selten oder noch nie so gesehen hatte, den Blick aber sehr hart machte.
Ich ließ ihr den Vortritt, und sie bedankte sich mit einem knappen Kopfnicken. Den Mantel zog sie nicht an und hängte ihn lässig üner den Arm. Die Handtasche hatte sie geschultert.
»Die hat was«, sagte Suko.
»So? Was denn?«
»Ich weiß nicht so recht, wie ich mich ausdrücken soll. Jedenfalls nichts Nettes oder Warmherziges. Wer mit der näher in Kontakt kommt, hat nichts zu lachen.«
»Dir gefällt sie also nicht?«
»Nein, John. Die Frau ist eiskalt, das habe ich sehr deutlich gespürt. Die Aura…«
Ich ließ ihn nicht ausreden. »Seit wann kümmerst du dich darum?«
»Eigentlich selten. In diesem Fall hat sie mich einfach gestreift.« Er winkte ab. »Ist auch egal.« Damit war für Suko das Thema erledigt, und für mich auch.
Zumindest vorerst, denn wir sahen die Frau an dem Ausgang wieder, durch den die Passagiere aus Paris kommen würden. Sie hielt sich etwas abseits, aber es war zu erkennen, daß sie den Ausgang nicht aus den Augen ließ,
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