1029 - Evitas Folterkammer
Uhrzeit durch.
»Gut. Dann werden Suko und ich dich morgen abholen. Von uns allen einen guten Flug.«
»Danke. Und euch eine gute Nacht.«
Ich schaltete den Apparat aus und legte ihn auf den Tisch. In den folgenden Sekunden sprach niemand ein Wort. Wir schauten uns an, und wahrscheinlich hingen wir den gleichen Gedanken nach, die Suko schließlich aussprach. »Ich habe ja nicht viel gehört, John, aber ich kann mir vorstellen, daß der Abbé nicht zum Spaß hier erscheint.«
»Das ist richtig.«
»Hat er keine Andeutung gemacht, was los ist?« fragte Bill.
»Nein, nichts.«
»Das ist komisch.«
»So ganz stimmt das nicht!« korrigierte ich mich selbst. »Der Abbé sprach von einem Fall auf Leben und Tod.«
»Dann geht es vielleicht um die Templer«, erklärte Bill.
»Das denke ich auch.«
Die Stimmung war dahin. Sie jetzt noch zurückholen zu wollen, wäre einer Verkrampfung gleichgekommen. Trotzdem blieben wir noch fast zwei Stunden, sprachen über viele Dinge, nur nicht über berufliche Angelegenheiten, aber mit den Gedanken waren zumindest Suko und ich schon beim nächsten Tag.
Unser Schicksal, das uns kaum Ruhe gönnte. Aber wir würden weitermachen, das stand fest…
***
Der Mönch Victor hatte in seinem Leben viel über die Geschichte der Menschheit gelesen. Er kannte alle Seiten und Auswüchse, so war ihm auch die Folter nicht fremd gewesen. Die Kirche selbst hatte sie ja zu den Hochzeiten der Inquisition angewandt, aber sie am eigenen Leib zu spüren, das war schon schlimm.
Hinter ihm lag eine Hölle.
Er hatte sich mehrmals gewünscht, bewußtlos zu werden, doch dieser Zustand war ihm nicht vergönnt gewesen. So hatte er die Schmerzen jedesmal ertragen müssen, wenn die glühende Spitze des Messers auf bestimmte Körperstellen gezielt hatte.
Auch sein Gesicht war nicht verschont geblieben. Auf den Wangen und an der Stirn zeigte es blutende Wunden, und am meisten Angst hatte der Mönch um sein Augenlicht gehabt. Das aber hatte diese Folterfrau glücklicherweise verschont.
Seine Kutte zeigte in Höhe der Brust einen Riß. Die Glut hatte auch sein Brusthaar angesengt und ebenfalls Stellen auf der Haut verbrannt.
Victor hatte sich vorgenommen, nicht zu schreien und diesem weiblichen Folterknecht keinen Triumph zu gönnen. Geschrien hatte er nicht, dafür gestöhnt, und dieses Stöhnen war auch jetzt nicht beendet, denn die Wunden schmerzten noch nach. Sie brannten, als wäre Öl ins Feuer gegossen worden, und dieses Brennen hatte sich auf den gesamten Körper des Mannes übertragen, so daß Victor nicht einmal in der Lage war, die einzelnen Wunden zu lokalisieren.
Evita hatte mit der Folterung aufgehört oder sie auch nur unterbrochen. So direkt konnte er das nicht sagen. Jetzt stand sie vor ihm und wußte nicht, was sie zuerst betrachten sollte. Die Spitze des Messers oder ihr Opfer?
Das Metall zeigte nicht mehr die rote Glut wie noch vor einer halben Stunde. Sie steckte die Waffe auch nicht mehr in die Flamme, sondern legte sie neben der Tasche zu Boden, in die sie wenig später hineingriff und eine neue Dose mit Wasser hervorholte.
»Ich bin ja nicht so«, sagte sie zynisch und öffnete den Verschluß.
Diesmal mußte der Gefangene direkt aus der Dose trinken, was nicht so einfach war. Ein Teil des Wassers rann über seine Unterlippe hinweg in Richtung Kinn und Hals.
Aber er trank.
Er war gierig, und es war ihm dabei egal, was die andere Person von ihm hielt. Er wollte das Wasser schlucken, er brauchte es, um sein Brennen zu lindern.
Den Rest der Flüssigkeit goß die Frau über dem Kopf des Mannes aus. Die Kapuze hatte sie ihm längst in den Nacken gestreift. Nichts verdeckte mehr die Qual in seinem Gesicht.
Blut und Wasser vermischten sich zu einem Schmier, der sein Gesicht noch schauriger aussehen ließ. Genau das hatte Evita gewollt.
Sie trat zwei kleine Schritte zurück und betrachtete voller Interesse ihr Werk. Dann bewegte sie die Lippen und sprach mit sich selbst, bevor sie den Angeketteten mit einem prüfenden Blick betrachtete.
Da war sie ganz Profi, ohne Emotionen.
Und sie war zufrieden, wie ihr Nicken anzeigte.
Der Gefangene sah die Frau nur verschwommen. Immer wieder senkten sich Schleier vor seine Augen, die auch nicht verschwinden wollten, wenn er die Augen bewegte. Dennoch war seine Sicht so weit klar, daß er die Bewegungen seiner Peinigerin verfolgen konnte.
Sie trat wieder an ihre Tasche heran, die zu einem regelrechten Zauberkasten geworden war. Diesmal griff
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