1029 - Evitas Folterkammer
denn Evita wollte Suko töten.
Er reagierte im letzten Augenblick. Mit einem flachen Satz und auf Sukos Bauch zielend war sie auf ihn zugegangen. Er hatte sich zur Seite werfen können und war mit dem Rücken gegen die rauhe Wand geprallt. Dabei waren beide außerhalb des Lichtscheins geraten, und ich sah sie nur noch als Schatten.
Die Frau riß das Messer hoch.
Sie schrie dabei wie eine Katze auf, der jemand auf die Pfoten getreten hatte. Dann raste die Klinge nach unten, um Suko einfach aufzuspießen. Ich schaffte es nicht mal, eine Kugel abzufeuern, aber Suko konnte mir der linken hochgerissenen Hand das Messer aus der Richtung bringen. Dicht neben seinem Körper schrammte es über das Gestein.
Evita gab nicht auf. Sie wollte ihn. Sie wollte Blut fließen sehen.
Mit dem Knie schleuderte sie Suko von sich weg. Der harte Stoß sorgte dafür, daß mir Evita Longine rückwärts und gebückt entgegentaumelte. Besser konnte es nicht laufen.
Als sie hochschnellte und auf Suko zulaufen wollte, packte ich sie in Höhe der Hüfte und wuchtete sie herum. Damit hatte die Frau nicht gerechnet. Trotz ihrer Stärke landete sie auf dem Boden, war für einen Moment unsicher, hielt aber das Messer fest.
Ich wartete, bis sie aufsprang. Für mich war es ein wichtiger Moment. Sie stand noch nicht richtig auf den Füßen, als ich ihr das Kreuz in den Rücken preßte.
Es war die Berührung, auf die ich mich hatte vorbereiten können.
Ihr Körper steckte voll dieser alten Seelen. Sie hatten sich Evita als Fluchtpunkt ausgesucht und mußten nun erleben, wie mächtig die Kraft des Kreuzes war.
Ein irrer Schrei hallte durch die Folterkammer. Wie von einem Menschen abgegeben, der mit glühenden Nägel traktiert wurde.
Evita hatte so fürchterlich gebrüllt, und es hatte sie auch nicht mehr auf der Stelle gehalten.
Sie rannte vor, als gäbe es überhaupt keine Hindernisse in diesem Keller. Die Frau sah auch nichts, die Panik hatte sie blind werden lassen, und so prallte sie ebenfalls gegen die Wand.
Nicht wie Suko – schlimmer.
Frontal war sie aufgelaufen und mit dem Gesicht gegen das harte Gestein geschlagen. Das war zu sehen, als sie sich drehte, denn da rann das Blut aus beiden Nasenlöchern hervor.
Das war nicht so schlimm. Etwas anderes quälte die Frau. Sie wußte, daß sie einen schrecklichen Tod erleiden würde. Es war der Tod, den sie dem Abbé zugedacht hatte.
Mein Kreuz bekämpfte die Macht in ihr. Es vernichtete die Geister, und die wiederum rächten sich an der Person, die ihnen alles eingebrockt hatte.
Sie vernichteten die Frau von innen.
So erlebte Evita eine schreckliche Folter, die keiner von uns mehr stoppen konnte. Die Kraft der Totengeister fraß sie von innen auf.
Sie vernichtete ihre wichtigen Organe, und sie bohrte sich auch nach außen.
Ich schüttelte den Kopf. Mir war eisig kalt geworden. Aber das war eine normale Kälte, von meinem eigenen Gefühl abgegeben. Ich wußte nicht, ob ich Mitleid mit der sterbenden Person haben sollte.
Ja, doch, ich hatte Mitleid.
Mochte sie auch noch so schlecht gewesen sein, immerhin war sie ein Mensch. Und wer die Achtung vor einem anderen Menschen verliert, der hat sie auch vor sich selbst verloren.
Wunden entstanden. Blut drückte sich von innen nach außen und benetzte ihre Kleidung.
Die linke Wange platzte weg, als hätten stumpfe Messer im Innern des Kopfes gebohrt. Evita Longine schrie nicht mehr. Ein elendes Jammern drang aus ihrem Mund. Das Messer hatte sie längst weggeschleudert. Sie bewegte ihre Arme und preßte die Hände gegen den Körper, als wollte sie sich selbst dabei Stücke herausreißen.
Dann war die letzte Kraft ebenfalls weg.
Evita brach zusammen.
Sie schlug mit den Knien auf. Als wäre dies ein Zeichen gewesen, brach genau in diesem Augenblick ihr Hals auf. Ein dicker Strom aus Blut schoß daraus hervor, bildete eine Lache auf dem Boden, in die Evita bäuchlings hineinkippte und regungslos liegenblieb.
Bewegen würde sie sich nicht mehr, denn sie war tot. Evita Longine hatte zu hoch gepokert und verloren…
***
»Ja«, sagte der Abbé, als er sich neben mich stellte. »Das ist es dann wohl gewesen.« Er schüttelte den Kopf. »Schrecklich, wie man so verblendet sein kann.«
Ich hob die Schultern. »Diese Menschen wird es immer geben, denn sie werden nicht aussterben.«
»Ja, da magst du recht haben. Ich muß mich um Victor kümmern. Er braucht einen Arzt und muß ins Krankenhaus. Aber zuvor müssen wir ihn befreien.«
»Evita
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