1029 - Evitas Folterkammer
sich Zeit und trank zunächst einige Schlucke. Danach sagte er einen Satz, der uns erschreckte.
»Ich stecke in der Klemme!«
Wir schwiegen, schauten uns an.
»Ja, ich stecke in der Klemme.« Er nickte vor sich hin. »Ich kann es nicht anders sagen.«
»Erpressung?« erkundigte ich mich.
»Nein, nicht direkt. Es geht nicht um Geld oder so etwas. Aber eine Erpressung ist es schon.«
»Wir hören«, sagte ich.
»Wäre ich nicht nach London geflogen und würde ich von hier aus nicht zu einem bestimmten Ziel hinfahren, würde ich damit den Tod eines Menschen verschulden.«
Das war hart. Der Abbé schaute uns an, als wollte er herausfinden, ob wir ihm glaubten.
»Kannst du da genauer werden?« fragte Suko.
»Sicher, es geht um einen alten Freund aus früheren Tagen. Um einen Mönch, den ich…«
»Pardon«, unterbrach ich ihn. »Ist es ein Templer?«
»Nein, das nicht. Bruder Victor ist Franziskaner. Aber wir kennen uns schon sehr lange, auch wenn wir uns in den letzten Jahren aus den Augen verloren haben. Hin und wieder ein Brief, ein Anruf, das war alles. Und nun das.«
»Was?«
»Nicht so ungeduldig, John, bitte.« Der Abbé griff nach dieser kleinen Zurechtweisung in die Tasche und holte einen Briefumschlag hervor. Die Lasche war nicht verklebt, so daß die Fotos über den Tisch rutschten, als er den Umschlag kippte.
Polaroidaufnahmen. Nicht verschwommen, sondern mit einer guten Kamera geschossen. Schon beim ersten Hinschauen sahen wir, daß es sich immer um das gleiche Zielobjekt handelte, wenn auch aus verschiedenen Richtungen und Perspektiven fotografiert.
Es waren insgesamt sechs Bilder, und der Abbé legte sie so hin, daß wir direkt darauf schauen konnten.
»Das ist mein Freund Victor!«
Wir schwiegen beide. Ich spürte, wie sich ein Klumpen in meinem Magen bildete und atmete scharf durch die Nase.
Victor war nicht nur in Ketten gelegt und an einen Pfahl gebunden, er war sogar gefoltert worden, das konnten wir einfach nicht übersehen.
Im Gesicht breiteten sich die Wunden aus, auf der Brust ebenfalls, wo auch die Kleidung eingerissen war, und selbst die Qual in seinen Zügen kam rüber.
Der Mann war jünger als der Abbé. Sein Alter lag zwischen fünfzig und sechzig, und es war zu sehen, daß ihn die Folter verdammt stark mitgenommen hatte.
»Wer hat das getan?« fragte ich.
Bloch hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Man schickte mir die Fotos zu, das war alles.«
»Nur sie?«
»Nein, John, es lag auch noch eine Nachricht in Form eines Briefes mit dabei.«
»Den wir lesen dürfen.«
»Ich habe ihn mitgebracht.«
Ein normaler Brief war es nicht. Einfach ein Blatt Papier, in der Mitte geknickt. Die Nachricht war mit blauer Tinte und in Druckbuchstaben geschrieben worden. Deshalb war nicht zu erkennen, ob sie von einem Mann oder einer Frau stammte.
»Wenn Du Bruder Victor lebend wiedersehen möchtest«, las ich halblaut vor, »dann fliege nach London und quartiere Dich im Hilton Hotel am Hyde Park ein. Dort werde ich Dir Nachricht geben.«
Das war alles, und ich ließ das Blatt sinken.
»Was sagt ihr?« fragte Bloch.
Ich hob die Schultern. »Dein Kommen zumindest zeigt uns, daß du diese Nachricht ernst nimmst.«
»Und wie.«
»Hast du dir denn überlegt, was dahinterstecken könnte?« erkundigte sich Suko.
»Ich weiß nicht, was und nicht wer. Ich habe keine Ahnung.«
»Auch nicht global?«
Der Abbé wiegte den Kopf. »Natürlich haben wir Templer Feinde. Das brauche ich euch nicht zu sagen. Es kann sich um die andere Gruppe der Baphomet-Diener handeln, muß aber nicht, denn Victor hatte mit uns Templern nichts zu tun. Er als Franziskaner hat uns akzeptiert und mich auch als Freund, aber mit der anderen Seite ist er wohl nie in Berührung gekommen.«
»Das weißt du genau?«
»Ja, Suko, denn dann hätte er etwas zu mir gesagt. Mich angerufen und ins Vertrauen genommen. Wir hatten uns versprochen, daß der eine dem anderen hilft, wenn sich dieser in Schwierigkeiten befindet.«
»Jetzt steckt Victor tief im Dreck.«
»Aus dem ich ihn herausholen will, John.«
»Kann ich mir denken. Hätte ich auch so getan, und du kannst dich auch auf uns verlassen.«
Bloch lehnte sich entspannt zurück. Er bewies, daß er auch noch lächeln konnte. »Dafür möchte ich euch schon jetzt danken.«
Ich winkte ab. »Unsinn. So etwas ist eine Selbstverständlichkeit. Wozu ist man befreundet?«
»So habe ich bei Victor auch gedacht.« Der Abbé legte die Fotos zusammen, schob sie wieder in
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