1029 - Evitas Folterkammer
die andere Person hinauswollte. Er fragte trotzdem. »Wieso habe ich nicht…«
»Du bist ein Verräter!«
Die Antwort hatte ihn hart getroffen und nahm ihm für eine Weile den Mut. Er schloß sogar die Augen. Seine Lippen zuckten, und das leise Stöhnen konnte er auch nicht unterdrücken.
»Weißt du Bescheid?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Gut, ich sage es dir. Es war eine Sache zwischen uns beiden. Du hast dich nicht daran gehalten, sondern zwei andere Männer eingeschaltet. Auf dem Flughafen habt ihr euch getroffen. Ich war in der Nähe und habe alles beobachten können. So etwas kann mir nicht gefallen, Abbé. Das darf mir auch nicht gefallen. Aber ich habe mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet und deshalb vorgesorgt.«
»Durch das Ohr?«
»Genau. Es war so etwas wie ein Hinweis, wenn du verstehst. Eine allerletzte Warnung. Ich weiß auch, daß sich die beiden Männer hier im Hotel aufhalten. Nur hast du dich geirrt, wenn du denkst, daß sich an deiner Lage etwas ändert. Ich habe nur umdenken müssen, was mir recht leicht fällt.«
»Was wollen Sie?«
»Dich!«
Bloch schluckte. Er hatte sich etwas ähnliches gedacht. »Und weiter?«
»Zunächst einmal nur dich.«
»Was ist mit Victor?«
»Ihn wirst du sehen können.«
Nach dieser Antwort fühlte sich der Abbé etwas erleichtert. »Dann lebt er noch?« erkundigte er sich vorsichtig.
»Ja, denn man kann auch mit nur einem Ohr existieren. Das brauche ich dir wohl nicht zu sagen.«
Bloch schloß die Augen. Wieder so direkt an Victors Schicksal erinnert zu werden, wühlte ihn auf. »Wie geht es denn weiter?« flüsterte er in den Hörer.
»Es ist alles ganz einfach, mein Lieber. Du wirst dein Zimmer verlassen und dich nach unten in die Tiefgarage des Hotels begeben. Dort warte ich dann auf dich. Eine Warnung noch, obwohl du sie nicht verdient hast. Hüte dich davor, deinen Freunden Bescheid zu geben, sonst ist dein Leben und auch das deines Freundes nichts mehr wert. Verstanden?«
»Sicher. Wann soll ich kommen?«
»Du kannst noch zwei Minuten warten. Der Lift fährt durch bis in die Parkebene hinein. Dort sehen wir dann weiter.«
»Fahren wir denn weg?«
»Warte es ab.«
Der Abbé wollte noch etwas fragen, aber die Unbekannte hatte aufgelegt. Bloch kam sich vor, als hätte man ihn soeben aus einer Sauna geholt, so sehr schwitzte er. Er wußte überhaupt nicht mehr, was er unternehmen sollte. Er fühlte sich wie jemand, der einfach nur neben sich selbst stand und seinen Körper verlassen hatte. Er zitterte, er atmete heftig, er schluckte den eigenen Speichel und hatte trotz Wärme eine Gänsehaut bekommen.
Die Glieder waren schwer geworden. Es fiel dem Abbé nicht leicht zuzugeben, daß die Frau, deren Namen er nicht einmal kannte, am längeren Hebel saß. Sie war über jeden seiner Schritte und über die seiner Freunde informiert gewesen. Damit fertig zu werden, war für den Templer verdammt schwer.
Er wollte den Forderungen der Frau genau Folge leisten und seinen Freunden nicht Bescheid geben. Sie hätte es sehr schnell in Erfahrung gebracht. Dann wäre das Leben seines Freundes Victor keinen Pfifferling mehr wert gewesen.
Der Abbé wußte nicht, ob die zwei Minuten vorbei waren, als er zur Tür ging. Den Kopf hielt er gesenkt, die Schritte waren schwer und schleppend.
Die Tür fiel hinter ihm zu.
Das Geräusch erschreckte den Templer. Er hatte dabei den Eindruck, wieder einen Teil seines Lebens hinter sich gelassen zu haben.
Das abgeschnittene Ohr blieb im Hotelzimmer zurück. Sein Anblick aber wollte Bloch nicht aus dem Kopf. Er würde sich immer wieder daran erinnern, denn es war ein Beleg für seine Schuld. Damit kam ein Mann wie er nicht zurecht.
Um Victor geht es im Prinzip nicht, dachte der Abbé, als er den Lift betreten hatte. Es geht um mich. Aber was, zum Henker, habe ich mit dieser Frau zu tun?
So intensiv er darüber auch nachdachte, er kannte den Grund nicht.
Der Lift glitt in die Tiefe, und der Abbé dachte daran, daß er in eine Hölle fuhr…
***
Es gibt auch in einem Hotel Ecken, die nicht gut zum allgemeinen Image passen. Eine solche erlebte ich, als ich die Treppe hinab zur Tiefgarage schritt. Ich befand mich auf einer Nottreppe und in einem Flur, dessen Wände verputzt, aber nicht gestrichen waren. Es gab keine Fenster, nur das kalte Licht einer sternförmigen Deckenleuchte, deren Schein sich auf den Stufen ausbreitete und ihnen einen kalten Glanz gab, der beinahe wie Eis schimmerte.
Obwohl ich meine
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