1031 - Donnas zweites Leben
einfach rein gefühlsmäßig, denn ich konnte mir vorstellen, daß Donna Preston nicht im Haus bleiben würde. Sie hatte auf mich gewirkt, als wollte sie mich so schnell wie möglich loswerden, weil mein Erscheinen ihre Pläne gestört hatte.
Wenn jemand wartet, wird die Zeit lang. So kam es mir auch vor.
Da dehnten sich die Sekunden. Ich stand stets auf dem gleichen Fleck, ohne mich zu bewegen, aber ich schaute über die Straße hinweg und behielt den Hauseingang unter Kontrolle.
Sechs, sieben und auch acht Minuten vergingen, ohne daß sich dort etwas tat. Dann aber, nach ungefähr zehn Minuten – das Licht brannte noch hinter den beiden Fenstern im Erdgeschoß – wurde die Haustür geöffnet. Für mich auch deshalb zu sehen, weil die Umgebung vom Licht der Fenster gestreift wurde.
Jemand schlich aus dem Haus. Die Person bewegte sich beinahe wie ein Dieb, der den Tatort vorsichtig verläßt. Es war Donna Preston, die wie auf Samtpfoten schlich und die Tür behutsam hinter sich zudrückte.
Ich gratulierte mir selbst dazu, meinem Gefühl gefolgt zu sein und schaute zu, wie es bei ihr weiterging. Vor der Tür blieb sie erst einmal stehen und schaute sich um. Wahrscheinlich rechnete sie auch damit, beobachtet zu werden, denn sie traute mir ebensowenig wie ich ihr. Erst als ihr nichts aufgefallen war, setzte Donna ihren Weg fort. Es konnte durchaus sein, daß sie zu ihrem Wagen ging, der möglicherweise zwischen all den anderen parkte. Wenn das passierte, mußte ich mich beeilen, um an meinen Rover zu gelangen, der weiter entfernt seinen Platz gefunden hatte.
Donna Preston ging in die Richtung, in der auch mein Fahrzeug stand. Sie bewegte sich auf dem Gehsteig weiter. Hin und wieder sah ich ihren Kopf oberhalb der Autodächer, aber ich hörte nicht ihre Schritte, denn sie hielt sich zurück.
Dann blieb sie stehen.
Es war ein Kleinwagen, dessen Tür sie öffnete. Ein Fiat. Als es im Auto hell wurde, hielt mich nichts mehr an meinem Platz. Ich mußte jetzt verdammt schnell sein und drückte mir selbst die Daumen, daß Donna in die Richtung fahren würde, in der auch mein Fahrzeug parkte.
Den Rover erreichte ich ziemlich verschwitzt. Da hatte es Donna auch geschafft, aus der Parklücke zu rangieren. Sie lenkte den Fiat auf die Straßenmitte, und das helle Licht der Scheinwerfer wehte wie eine dünne Gardine über den Belag hinweg.
Ich saß bereits hinter dem Steuer, war aber abgetaucht. Sie kannte ja mein Auto. Ich vertraute auf die Dunkelheit und hoffte, daß sie es nicht bemerken würde.
Der Fiat glitt vorbei.
Zu wenden brauchte ich nicht, nur noch zu starten. Und das passierte sehr bald.
Ich orientierte mich anhand der Rückleuchten. Sie strahlten wie helle Blutstropfen und wiesen mir den Weg. Natürlich dachte ich darüber nach, wohin sie fahren würde. Jedenfalls ging es in Richtung Süden, zum Hyde Park.
Wir fuhren ein Stück auf der Bayswater Road und bogen am Victoria Gate in den Hyde Park ein, in die breite Straße, die ihn von Nord nach Süd durchkreuzt und auch über den See, der Serpentine heißt, führte.
Der Park war finster. Ich hielt immer ausreichend Abstand. Natürlich gab es genügend Liebespaare, die Nächte wie diese nutzten, sie aber standen nicht auf den Hauptwegen, sondern hatten sich die entsprechenden Verstecke gesucht.
Glatt kamen wir durch und erreichten die Exhibition Road, die in Richtung South Kensington führt.
Wo lag ihr Ziel? Dort vielleicht? In diesem sehr vornehmen und teuren Stadtteil?
Ich glaubte kaum, daß Donna Preston etwas mit diesen Bewohnern privat zu tun hatte, da waren wir uns wohl gleich. In dieser Nacht deutete alles darauf hin, daß es doch so war, denn sie fuhr nicht weiter auf die Themse zu, sondern verlor sich in South Kensington. An der U-Bahn-Station geriet sie leicht ins Schleudern. Ich hatte auch Mühe, ihr auf den Fersen zu bleiben, denn eine Stadt wie London schläft nie. Da ist auch noch in der Nacht was los.
Schließlich waren wir auf der breiten Old Brompton Road gelandet, und von dort aus bog die Frau plötzlich so rasch in eine Seitenstraße ab, daß ich sie fast verpaßt hätte.
Es war eine ruhige Straße mit wenig Verkehr. Die Menschen, die hier wohnten, zahlten horrende Mieten, falls ihnen die alten und wuchtigen Häuser nicht selbst gehörten. Hier legte man Wert auf einen gewissen Wohnstil, und das konnten sich doch einige Leute leisten.
Der kleine Fiat fuhr jetzt langsamer. Mir kam es so vor, als suchte Donna ein bestimmtes Haus.
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