1032 - Baphomets Monster
Trotzdem hob er die Schultern.
»Glauben Sie mir nicht?«
»Pardon, aber ich weiß nicht, was ich Ihnen glauben soll.« Ausweichend sprach er weiter. »Der Mensch schwebt ja immer in der Gefahr, einen plötzlichen Tod zu erleiden, denn damit muß man einfach rechnen, finde ich. Deshalb…«
»Nein, nein, nein!« sagte sie leise. »So habe ich das nicht gemeint. Sie sind Zeuge eines Vorgangs geworden, den sie nicht hätten sehen dürfen. Deshalb gebe ich Ihnen einen Rat. Verschwinden Sie – verschwinden Sie so schnell wie möglich, sonst kann ich für nichts mehr garantieren. Ich bin keine Mörderin, ich will auch keine sein, verstehen Sie. Ich mußte das hier tun. Doch wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, dann gehen Sie so schnell wie möglich.«
Der Templer hatte die Warnung verstanden und auch begriffen.
Aber er hatte auch seinen ersten Schock überwinden können und schüttelte den Kopf. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Madame, aber ich bin nicht zufällig hier.«
»Das wissen wir!«
»Wer ist wir?«
»Das spielt für Sie keine Rolle, Monsieur.«
»Wie heißen Sie?« fragte der Abbé.
»Auch mein Name ist nicht interessant für Sie! Ich möchte nur nicht, daß Sie sterben.«
»Dafür bin ich Ihnen dankbar, Madame, aber trotzdem möchte ich wissen, was Sie auf dem Dach der Kirche mit diesem Monstrum dort oben getan haben?«
»Konnten Sie es nicht sehen?«
»Nicht direkt. Es sah schon etwas seltsam aus. Es kam mir vor, als würden Sie es füttern.«
Sie nickte ihm zu. »Da haben Sie gut aufgepaßt.«
Plötzlich bekam der Abbé weiche Knie. Er fing auch an zu zittern.
Jetzt, wo er die Wahrheit erfahren hatte, wurde ihm schon flau, und er sammelte mühsam seine Worte. »Man füttert doch nur jemand, der noch am Leben ist – oder nicht?«
»Das stimmt.«
»Eine Figur kann nicht leben!« stöhnte er. »Sie ist aus Stein, das habe ich gesehen.«
»Alles richtig.«
»Und doch haben Sie sie gefüttert.«
»Ja.«
»Womit?«
Die für ihn namenlose Frau schaute den Abbé an. Er wußte nicht, wie er ihren Blick deuten sollte. Zudem war es so dunkel, daß er nicht viel von ihren Augen sehen konnte. Sie suchte nach der Antwort und würde sie sich abringen.
»Wollen Sie es nicht sagen?«
»Ich überlege noch, denn es ist wirklich nicht einfach, es auszusprechen.«
Der Abbé näherte sich der Lösung. »Es war Fleisch, nicht wahr?«
»Ich sage nicht nein.«
Vor der allerwichtigsten Frage brach dem Templer der Schweiß aus.
Er mußte sich auch mehrmals überwinden, um überhaupt sprechen zu können. »Etwa Menschenfleisch?«
Die Frau schloß für einen Moment die Augen, und dabei nickte sie.
Bloch glaubte, der Boden wäre ihm unter den Füßen weggezogen worden. Er spürte den Kloß in seiner Kehle, der Magen wollte rebellieren, und er hob auch den Kopf, um einen Blick auf das steinerne Monstrum werfen zu können.
Es hockte noch immer an der gleichen Stelle, ohne sich zu rühren.
Die Fütterung hatte noch nichts bewirkt, doch sie würde erfolgreich sein, das wußte er.
»Woher… woher … haben Sie das Fleisch?« fragte er und schüttelte sich dabei.
»Man gab es mir.«
»Wer?«
Sie ging darauf nicht ein. »Es ist das Fleisch von frisch Verstorbenen gewesen. Mehr weiß ich auch nicht. Aber es ist wichtig, daß es das Monstrum zu fressen bekommt.«
Der Abbé ballte die Hände. »Warum, verdammt?« keuchte er.
»Warum ist das wichtig?«
»Es muß so sein.«
»Nein, nein!« keuchte er. »Sie… oder die andern wollen diese schreckliche Figur doch nicht erwecken?« sprach er gegen seine eigene Überzeugung an.
»Doch!« flüsterte die Frau. »Das soll so sein. Und nicht nur sie soll erweckt werden. Auch die beiden anderen.«
Bloch schloß die Augen, wie jemand, der die Realität, die ihn innerlich aufgewühlt hatte, nicht mitbekommen wollte. Er kam mit dieser Erklärung nicht zurecht und wollte sie einfach nicht begreifen. »Drei Monster sollen leben? Für wen? Wer will es?«
»Mir wurde von einem Baphomet berichtet.«
Bloch nickte. »Ja!« brachte er dann über die Lippen. »Baphomet, ich habe es gewußt. Kennen Sie ihn?«
»Nein, aber er muß ein mächtiger Götze sein. Die Männer verehren ihn wie andere den Teufel.«
»Stimmt!« flüsterte Bloch. »Er ist wie der Teufel. Vielleicht noch schlimmer und…«
»Deshalb sollten Sie jetzt gehen. Sofort und nicht mehr zögern. Sie können es noch schaffen.«
»Was heißt das?«
Die Frau hob die Schultern und drehte sich um. Eine Antwort gab
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