1034 - Kitas Kettenhund
waren.
Die Begrüßung interessierte uns weniger. Die Worte rannen an unseren Ohren praktisch vorbei. Auch der Kettenhund verhielt sich ruhig. Ich schickte Mona noch einen Blick zu, die uns nicht mehr ansah, sondern nur auf Kita starrte. Sie war von der Frau in Bann geschlagen worden wie auch die anderen.
In meinem Kopf bauten sich Fragen auf. Sie beschäftigten sich einzig und allein mit der Gestalt des Kettenhundes.
Mensch und Tier!
Es gab so etwas, das hatten wir schon erlebt. Nur nicht in dieser Form. Wie war es möglich, daß auf dem Körper eines Hundes ein menschlicher Kopf seinen Platz gefunden hatte? War diese Gestalt durch ein medizinisches Experiment entstanden, oder hatten andere Kräfte ihre Hände mit im Spiel gehabt?
Ich tendierte eher zur zweiten Möglichkeit. Andere Kräfte und damit meinte ich magische. Dieser Kettenhund mußte irgendwo entstanden sein. Er war möglicherweise in ein magisches Feld hineingeraten, das für diese Veränderung gesorgt hatte. Gelenkt von einem Dämon, einem Teufel oder wie auch immer. Jedenfalls hielt sich Kita eine Bestie, die gnadenlos war und andere Tiere zerriß.
Bestimmt nicht nur andere Tiere. Ich konnte mir vorstellen, daß diese Bestie auch Menschen als Opfer suchte.
Meine Überlegungen flachten ab. Kitas Stimme drang wieder deutlicher an meine Ohren. Genau der richtige Zeitpunkt, denn die Frau kam jetzt zur Sache.
»Nicht oft habt ihr die Gunst, mich und ihn sehen zu können«, sagte sie. »Heute ist wieder eine besondere Nacht. Vollmond. Eine neue und zugleich alte Kraft, der wir uns nicht versagen sollten. Der Mond lebt ebenso wie wir, und sein Schein dringt durch alle Mauern und Hindernisse, auch wenn er nicht überall zu sehen ist. Er scheint selbst in die Tiefen eines Kellers hinein, in meinen, in Kitas Keller, der das große Geheimnis beinhaltet. Ihr wißt, daß immer dann, wenn wir gemeinsam hier erscheinen, ein oder auch mal zwei Personen von meiner Gunst erwischt werden und ich sie bitte, mich in meinen Keller zu begleiten, wo ihnen die Augen geöffnet werden. Dort gestatte ich ihnen einen Blick in die anderen Welten, die ebenfalls dazugehören. Dort können sie meinen Kettenhund erleben, dort werden sie genießen und die Freude am eigenen Leibe spüren…«
»Hast du gehört?« hauchte mir Suko zu. »Am eigenen Leibe spüren. Du weißt, was sie damit meint?«
»Folter!«
»Ja, durch das Hündchen.«
Mona hatte uns gehört. Scharf drehte sie den Kopf, um uns unwillig anzuschauen. Sie konnte nicht vertragen, daß wir die edle Ruhe störten, denn niemand sonst redete.
Bis Kita wieder das Wort ergriff. »Ein oder zwei Gäste werden heute meinen Keller besichtigen dürfen. Wer möchte mich in die dunklen Abgründe einer anderen Welt begleiten?«
Sie wollten alle. Nur riefen oder schrien sie es nicht heraus. Die Gäste reagierten wie Schulkinder, denn sie hoben brav ihre Arme.
Selbst Mona machte mit, und die männliche Garderobiere schloß sich der Mehrheit ebenfalls an.
Nur Suko und ich hielten uns zurück.
Wir saßen auf unseren Stühlen und warteten ab. Unsere Hände lagen auf der Theke, während Kita lächelte und den Kopf bewegte. Sie schaute auf die hochgereckten Arme ihrer Freunde, und sie blickt auch in die Gesichter hinein, die ihr blaß und gespannt entgegenleuchteten.
»Nein«, sagte sie. »Nein, heute wird es anders werden, meine Freunde. Ich habe mich entschlossen, zwei Gäste einzuladen, die neu bei uns sind.«
Sie brauchte nicht zu erklären, wer die Gäste waren und wo sie saßen. Automatisch drehten sich die Köpfe der anderen der Theke zu.
So fühlten wir uns plötzlich wie auf dem Präsentierteller sitzend. Da hatte sich die eigentliche Bühne verschoben und war auf die Theke zugewandert.
Niemand sprach. Schulkinder, die einer Aufforderung ihrer Lehrerin nachkamen. Wenn Kita die Initiative an sich riß, hatten die anderen zu gehorchen.
Ich fing Monas Blick auf und versuchte, in ihren dunklen Augen zu lesen, was sie fühlte. Sie gab nichts preis. Ihr Blick blieb auf eine gewisse Art und Weise ausdruckslos.
Kita sprach uns jetzt direkt an. »He, ihr beide dort an der Theke. Habt ihr es gehört?«
»Ja!« rief ich ihr knapp zu.
»Ihr werdet es kaum für möglich halten, wie man euch jetzt beneidet. Ich habe meine Wahl getroffen, und ich werde davon nicht abweichen. Selbst mein treuer Begleiter ist damit einverstanden.«
»Warum wir?« rief ich. »Warum nicht diejenigen, die schon lange herkommen? Haben sie es nicht
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