1034 - Kitas Kettenhund
Sie wirkt auf Lebewesen wie ein Magnet.«
»Lebewesen, hast du gesagt?«
»Richtig.«
»Schließt du auch Tiere damit ein?«
»In der Tat«, gab sie flüsternd zurück.
»Wenn Kita erscheint, ist alles anders. Sie ist wie ein fernes Gestirn, das sich auf den Weg in Richtung Erde begeben hat. Sie kontrolliert alles. Niemand kann sich ihrem Flair entziehen. Kita ist einfach da, und sie ist zudem beherrschend. Die Menschen gehorchen ihr. Sie beten sie an. Alle, die hier sind, zählen zu ihren Fans. Wie ihr – oder?«
Bevor sie etwas ins falsche Ohr bekam, nickten wir schnell. Ich sagte nur: »Wir warten auf Kita. Sie müßte doch bald erscheinen.«
Mona hob die Schultern. »Kita ist nicht mit normalen Menschen zu vergleichen. Sie läßt sich Zeit. Sie will, daß ihre Freunde bald vor Spannung platzen. Es ist der Nervenkitzel. Es ist die Überraschung, die auf sie niederfällt.«
»Eine halbe Nacht wollten wir eigentlich nicht warten«, sagte Suko. »Sonst könnten wir zu ihr gehen.«
»Nein, nein, nur das nicht.«
»Was stört dich daran?«
»Kita ist die Chefin, nicht ihr.« Mona faßte nach Sukos Hand und drehte sie so herum, daß sie einen Blick auf die Uhr werfen konnte.
»Lange kann es nicht mehr dauern. Kita hat ihren Auftritt zwischen Mitternacht und der ersten Morgenstunde. Ihr braucht euch also keine großen Gedanken zu machen.«
Da mochte sie recht haben. Trotzdem war unsere Ungeduld verständlich. Zudem bekam Mona wieder zu tun. Sie holte diesmal zwei Champagnerflaschen vom Eis, öffnete sie und stellte die Flaschen in neue Servierkübel, in denen Eis gegeneinanderschabte.
Ich drehte mich auf dem Lederhocker so weit herum, daß es nicht groß auffiel. Meiner Ansicht nach hatte sich die Atmosphäre verändert. Sie war gespannter geworden. Die Gäste saßen ruhiger auf ihren Plätzen. Hier und da hörten wir eine Stimme, mal ein Seufzen oder ein kurzes Lachen. Es wurde viel geraucht. Der Qualm zog träge in die Strahlen hinein.
»Willst du hören, was ich für ein Gefühl habe, Suko?«
»Wahrscheinlich das gleiche wie ich. Es dauert nicht mehr lange, bis sie erscheint.«
»Genau.« Ich bewegte meinen Daumen über zwei andere Finger hinweg. »Es ist das feeling, das auch mich nicht losläßt. Hier hat sich eine Spannung aufgebaut…«
Der Champagner war serviert worden. Ich beobachtete den Mann in der roten Lederweste, der bei seinem Weg zur Theke in eine bestimmte Richtung schaute, obwohl sich dort nichts abzeichnete. Es war der Ort, der im Dunkeln lag.
An der anderen Seite hielt sich der Garderobentyp jetzt bei der Tür auf. Es würden also keine Gäste mehr kommen. Die meisten Plätze waren auch belegt, und die für uns befremdend gekleideten Menschen sahen mehr aus wie Dekorationspuppen, denn es bewegte sich niemand. Jeder Kopf war gedreht. Die Leute blickten in eine bestimmte Richtung, eben wo die Dunkelheit lauerte.
Es war auch stiller geworden. Kaum jemand sprach noch. Die berühmte Ruhe nicht vor dem großen Sturm, sondern vor dem großen Auftritt, den eigentlich Kita beherrschte.
Wir tranken wieder. Alle Zutaten hatten sich richtig miteinander vermischt, so daß der Drink im Mund beinahe brannte.
Mona kam nicht zurück. Sie stand etwa in der Mitte der Theke und wartete auch. Es war kein Zufall, daß sich unsere Blicke trafen, denn sie wollte auch uns sehen. Der Kontakt war kaum hergestellt, als Mona kurz nickte.
Ich wußte Bescheid, der Auftritt stand dicht bevor. Es dauerte nicht mehr als eine halbe Minute, bis die Musik anschwoll. Sie hörte sich jetzt an, als dränge sie aus dem Boden. In Wellen schlug sie in die Höhe und verteilte sich.
Zugleich drehten sich einige Lichter unter der Decke. Drei Strahler schickten ihre jetzt breiten Bahnen in die Dunkelheit hinein, die sie zwar erhellten, aber kaum etwas erkennen ließen, denn lautlos hatte sich der künstliche Nebel ausgebreitet, der über dem Boden schwebte wie über einem Moor.
Kitas Auftritt wurde vorbereitet. Die Musik blieb, und innerhalb des Nebels, auf den jeder Gast schaute, sahen wir die Umrisse einer Frauengestalt.
Sie wuchs vor uns in die Höhe. Sie kam nicht von hinten nach vorn. Es gab nur eine Erklärung. Die Person war aus der Tiefe in die Höhe gestiegen. So etwas sieht man auch des öfteren auf einer Theaterbühne. Die Schau war schlicht, aber gut. Sie kam ohne viel technischen Schnickschack aus, wie man ihn heute überall findet, besonders in den Edel-Discos und Techno-Buden.
Kita war da, doch nicht
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