1035 - Die Totenkammer
gedrückt hatte.
Mandy Frost wußte, daß sie etwas sagen mußte. Obwohl dieser Mann nichts in diese Richtung hin hatte verlauten lassen, spürte sie einfach, daß er auf einen Kommentar ihrerseits wartete.
»Es ist ein schönes Foto – wirklich!«
»Ja, das ist es!« hörte sie die gepreßt klingende Antwort. »Ein sehr schönes sogar. Es ist mein Lieblingsfoto, und meine Frau trägt auch das Kleid, das ich so mochte. Sie hat sich damals sehr gefreut. Wir beide haben diesen Urlaub am Meer genossen.« Für eine Weilte hatte seine Stimme einen schwärmerischen Ausdruck bekommen, der jedoch radikal bei den nächsten Worten verschwand.
»Jetzt ist sie tot!«
Mandy schrak zusammen. Sie lauschte den Worten nach, die vergleichbar gewesen waren mit einem finsteren Racheschwur. Etwas rann kalt über ihren Nacken hinweg. Sie war nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Ihr Gefühl warnte sie. Der Tod dieser Frau konnte auch etwas mit ihrem weiteren Schicksal zu tun haben. In ihrer Phantasie nahm das Gesicht auf dem Foto plötzlich den Umriß einer Totenfratze ein.
»Es tut mir leid…«
Diese Worte waren Mandy so herausgerutscht, doch der Mann interpretierte sie aus seiner Sicht. »Leid tut es dir? Hör auf, es braucht dir nicht leid zu tun. Ich will keine Lügen hören!« zischte er. Mandy sah, wie er die rechte Hand zur Faust ballte. »Ich will nichts hören, verstehst du?«
»Ja, genau. Ich…«
»Hör auf zu reden! Ich will nur, daß sie zurückkehrt, Mandy. Meine Frau Marita soll wieder zu mir zurück. Ich will nicht alleine leben. Ich gehe gegen das Schicksal an. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die den Tod als eine endgültige Entscheidung hinnehmen. Das solltest du dir merken, Mandy.«
»Entschuldigung, wenn ich…«
»Keine Worte mehr. Reden wir lieber von meiner Frau. Wie gesagt, ich bin nicht bereit, ihren Tod hinzunehmen, und ich wehre mich mit allen Mitteln dagegen. Ich hole sie wieder ins Leben zurück, Mandy. Ja, ich werde alles tun, um meine geliebte Marita wiederzubekommen. Und dazu wirst du beitragen…«
Mandy erschrak, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, was der Kerl damit gemeint hatte.
»Hast du verstanden?«
»Habe ich!«
»Sehr schön.«
Plötzlich brach bei ihr etwas auseinander. Mit einemmal fiel ihr wieder ein, weshalb sie hier stand, und sie begann von Brenda Little zu sprechen. »Sie wollten mir doch mehr über Brenda sagen. Deshalb haben wir uns hier getroffen. Ich… ich … will ihr Verschwinden aufklären. Sie hat eine Notiz hinterlassen. Ich weiß, wo sie gewesen ist. Ich habe gehört, daß ich hier …«
»Nichts hast du gehört, gar nichts. Sie kann nicht mehr reden, die kleine Brenda. Ich habe alles gut vorbereitet, so dachte ich. Ein Irrtum, der aber zu korrigieren ist.«
Mandy wußte selbst nicht, woher sie den Mut für die nächste Frage nahm. »Was ist mit Brenda?«
Der Mann lachte kichernd auf. Ein Ausdruck seiner diebischen Freude. »Sie ist tot!«
Mandy bewegte sich nicht. Sie glaubte dem Kerl jedes Wort. Er war nicht mehr normal. Welcher Mann berief sich derart stark auf das Foto seiner Frau? Er war durchgedreht. In seinem Hirn mußte einiges nicht mehr stimmen.
»Hast du gehört?«
Mandy nickte. Dabei verlor sie nicht einmal ihre Starre. Sie wünschte sich an einen anderen Ort. Sie wollte, daß sich der Boden öffnete und alles verschlang.
»Ob du es gehört hast?«
»Ja.«
»Sehr gut. Dann weißt du ja, was mit dir passieren wird. Ich brauche euch als Tote. Ich muß euch einfach haben. Daran kann man gar nichts ändern. Es ist das Gesetz der Hölle. Ich will Marita zurückhaben, und ich bin bereit, jeden Weg zu gehen!«
»Sie sind ja wahnsinnig!« brach es aus ihr hervor.
Der Mann lachte. »Auf diesen Kommentar habe ich nur gewartet. Nein, ich bin alles andere als wahnsinnig. Ich bin nur wahnsinnig verliebt gewesen und bin es noch immer. Diese Liebe habe ich damals schon als endlos angesehen, und dabei wird es bleiben, Mandy. Du wirst mit dafür sorgen, daß Marita zu mir zurückkehrt und ich wieder mit ihr glückliche Stunden erleben kann.«
Trotz der Gefahr, in der Mandy schwebte, spürte sie, daß es auf die nächsten Sekunden ankam. Noch war der Mann durch seine eigenen Probleme und Vorstellungen zu sehr abgelenkt, aber das konnte sich blitzschnell ändern.
Deshalb mußte sie schneller sein.
Die Tür war nahe und trotzdem verdammt weit. Aber es war ihre einzige Chance zur Flucht.
Mandy hoffte, mit keiner Reaktion zu verstehen gegeben zu
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