1037 - Gefangene der SOL
beginnenden Sauerstoffmangels, besonders dann, wenn der Entzug langsam vollzogen wurde. Der Betroffene wurde fröhlich, nahm die Dinge ringsum entweder nicht mehr wahr oder wenigstens nicht mehr sonderlich ernst. In dieser künstlichen Euphorie begingen die Opfer dann meist katastrophale Fehler. Der Krane kannte das Phänomen von seiner Ausbildung als Planetenflieger her. Einmal, während eines Atmosphärenflugs, war seine Kabine ein wenig undicht geworden - es hatte nicht viel gefehlt, und Tomason hätte vergnügt lachend einen Kollegen gerammt.
Nach dem Höhenkoller folgte dann die Ohnmacht, schließlich der Tod.
Die beiden Wesen sahen sich an.
Es war Tomäsons Sache, in diesem Fall eine Entscheidung zu treffen. Es war dies eine jener grauenvollen Entscheidungen, wie sie von allen fühlenden Wesen nach Möglichkeit gemieden wurden - das gräßliche Geschäft, Leben mit Leben aufzurechnen, Quantität mit Qualität. Wog ein Kranenoffizier zwei weniger hochspezialisierte Techniker auf? War eine junge schwangere Technikerin wertvoller und damit rettungsbedürftiger als ein alter Kranenkommandant?
Tanwalzen hatte die Kiefer fest aufeinander gepresst. Die Muskeln zeigten eine mahlende Bewegung. Zia Brandström, die hinter dem High Sideryt stand, war bleich geworden.
„Wir können", sagte Hyhldon sehr leise, „diese Entscheidung dem Mann überlassen, der uns in diese Lage hineinmanövriert hat."
Tomason sah Tanwalzen an. „Wann könnten wir unseren Flug fortsetzen?"
„Auf der Stelle", sagte der High Sideryt, der über die Techniker an Bord gebot. „Wenn es wirklich nötig ist."
Tomason machte eine ärgerliche Geste.
Was sollte er tun?
Setzte er den Flug fort, führte er ein Schiff nach Kran, das er nicht unter Kontrolle hatte - und das bedeutete bei den Machtmitteln gerade dieses Schiffes sehr viel. Wenn der tragische Verbund zwischen SENECA und Mallagan anhielt, dann war zu befürchten, daß diese beiden auf Kran eine Katastrophe allerersten Ranges auslösten. Kran war das Herz des Reiches, das Orakel der Herzöge unentbehrlich für den Fortbestand des Herzogtums.
Unmöglich konnte ein verantwortungsvoller Kommandant das Herz dieses Reiches einer solchen Gefahr aussetzen.
Mallagans Drohung stand im Raum: Entweder litten die Geiseln an Bord der SOL, oder der Flug wurde fortgesetzt. Damit war die Gefahr verschoben - zeitlich, örtlich und personell.
„Können wir einen neuen Bypass schaffen?"
Tanwalzen sah auf die Uhr. „Nicht in der kurzen Zeit, die uns noch zur Verfügung steht.
Es wäre ein Wettlauf mit dem Tode, bei dem als Gewinn nur ein paar Stunden Aufschub herauskämen."
Ein paar Stunden. Was konnte nicht alles in diesen paar Stunden geschehen? Man konnte das Ausbleiben des Spoodie-Schiffs bemerken, ihm eine Flotte entgegenschicken.
SENECA konnte erkennen, daß die Bjopositronik zu verbrecherischen Zwecken mißbraucht wurde - wenn man ein derart komplexes hochleistungsfähiges Gebilde wie die Biopositronik überhaupt mißbrauchen konnte - es war nämlich auch durchaus denkbar, daß es Mallagan war, der mißbraucht wurde. In diesem Fall fehlte allerdings eine logische Erklärung für SENECAS Verhaltensänderung.
In den paar Stunden, die mit einem Bypass-Manöver gewonnen werden konnten, war es möglich, daß den Eingeschlossenen etwas einfiel, wie man den Verbund Mallagan/SENECA aufbrechen konnte.
Und es war nicht einmal auszuschließen, eher sogar wahrscheinlich, daß Mallagan den Besitz von vier Spoodies geistig nicht verkraftete und daran in den nächsten Stunden starb.
All dies war möglich - um die Wahrscheinlichkeiten abwägen zu können, hätte es der Hilfe SENECAS bedurft.
Tanwalzen konnte sehen, daß Tomasons Glieder leicht bebten. An Tomason blieb letztlich die Verantwortung für alles Kommende hängen, im Guten wie im Schlechten.
Tanwalzen versuchte gar nicht erst, sich die ungeheure Last dieser Verantwortung vorzustellen.
Ein Blick auf die Instrumente. Der Druck sank weiter. Es würden noch etliche Minuten, vielleicht Stunden vergehen, bis sich die ersten Anzeichen des Höhenrausches bemerkbar machten. War dieser Zustand einmal erreicht, gab es kaum mehr Aussichten auf Rettung.
Tomason sah Tanwalzen an.
„Es gibt noch eine Möglichkeit", sagte er sehr leise.
„Ich weiß", antwortete der Solaner.
Zia Brandström wurde noch bleicher. Hyhldon bebte.
Natürlich gab es für den Kommandanten Möglichkeiten, im Inneren des Spoodie-Schiffs eine große atomare Ladung zu
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