1037 - Zurück aus dem Jenseits
hatte und das Gebläse die warme Luft verteilte.
Blätter lösten sich von den Bäumen. Traurig trieben sie durch die Luft, um irgendwo auf dem Boden zu landen und liegenzubleiben.
Die Menschen hasteten unter ihren aufgespannten Schirmen dahin, und manche Häuser verschwammen hinter den Regenschleiern zu konturenlosen Schatten. Eine graue, mit Dunst bedeckte Themse wälzte sich durch ihr Bett in Richtung Osten der Mündung entgegen. Längst waren die Ausflugsschiffe wieder eingemottet worden.
Im Yard Building war auch etwas von dieser trüben Stimmung zu spüren, nicht nur beim Eintreten merkten wir das, selbst Glenda zeigte kein lächelndes Gesicht. Sie begrüßte uns weder mit spitzen noch mit freundlichen Bemerkungen, sondern nickte uns nur kurz zu, als wir das Vorzimmer betraten.
»Sauer?« fragte ich.
»Ja.«
»Wegen uns?«
»Nein, diesmal nicht. Nur das Wetter.«
»Kann ich verstehen.«
»Der Kaffee ist trotzdem gut.«
»War er schon mal schlecht?«
Glenda hob die Schultern. »Das kann ich nicht beurteilen. Du trinkst mehr davon.«
»Das stimmt allerdings.«
Mit der vollen Tasse ging ich in das Büro, das sich Suko und ich teilten. Die beiden Schreibtischlampen schickten ihr Licht gegen unsere Arbeitsplätze, auf denen einige Papiere lagen. Unterlagen und Protokolle, die sich mit dem schrecklichen Mord an Tessa Hampton beschäftigten. Ich würde sie durchlesen und unterschreiben müssen, hatte dazu aber keine Lust und schob sie erst mal zur Seite.
Suko ließ mich die Hälfte der Tasse leeren, bevor er mich ansprach. »Wie war das mit der Agentur?«
»Alles klar. Werde ich noch in die Wege leiten. Nur nicht sofort, denn ich überlege, ob wir die Spur Leonidas nicht lieber aktivieren sollten.«
»Wo? In Griechenland?«
»Dabei könnte uns Sir James helfen. Seine Beziehungen reichen überall hin. Ich tendiere immer mehr zu der Möglichkeit, daß dieser Hasikis ein von Leonidas gekaufter Killer war.«
»Nur kannst du ihn nicht mehr fragen.«
»Ja, aber wir werden uns um seine Vergangenheit hier kümmern. Wenn er nicht hier gelebt hat, muß er eingereist sein. Möglicherweise ist er aufgefallen, registriert und…«
Das Telefon erlöste mich von einem Weitersprechen. Ich rechnete mit einem Anruf meines Chefs, erlebte aber die Überraschung des Morgens, als ich eine Stimme hörte, mit der ich so gut wie gar nicht mehr gerechnet hatte.
»Ich grüße dich, John Sinclair.«
»Mensch, Harry«, sagte ich nur.
»Genau ich.« Er lachte. »Auch, wenn ich in Urlaub bin, schaue ich mir ab und zu die Mailbox an. Du hast versucht, mich zu erreichen.«
»Klar. Sag mal, wo steckst du denn?«
»Dagmar und ich sind in Deutschland geblieben. Wir machen in Oberstdorf Urlaub. Im Allgäu.«
»Das ist nicht schlecht.«
»Finden wir auch.« Er lachte. »So, jetzt aber zu den normalen Dingen. Wo drückt dich der Schuh?«
»An verschiedenen Stellen, Harry. Im Prinzip geht es mir um die Psychonauten.«
»Bitte?«
Ich hatte den Lautsprecher eingeschaltet, damit Suko ebenfalls zuhören konnte. Uns beiden fiel die plötzliche Spannung in der Stimme des Deutschen auf, als ich die Psychonauten erwähnt hatte. Harry reagierte da schon etwas empfindlich, weil ja auch seine Partnerin Dagmar Hansen zu dieser Gruppe zählte, doch diese sehr aufgewühlte Antwort bewies mir schon, daß mehr dahinterstecken konnte.
»Ich will konkreter werden, Harry. Ich war Zeuge, wie jemand eine Psychonautin ermordete.«
»Okay, John, das mußt du mir erklären.«
Ich tat es, und es wurde eine sehr lange Unterhaltung zwischen uns. Nicht nur ich legte die Probleme offen, ich erfuhr auch von Harry Stahl, weshalb er und Dagmar in Oberstdorf Urlaub machten.
So ganz freiwillig war das nicht geschehen. Er und Dagmar waren praktisch zu diesem Ort hingelockt worden.
Und es ging bei ihnen ebenfalls um die Psychonauten!
»Steckt da Methode oder Zufall dahinter?« erkundigte sich Harry.
»Beides.«
»Kann sein. Und jetzt?«
»Möchte ich dich fragen, wo du steckst.«
»Bei strahlendem Sonnenschein befinden wir uns auf dem Weg zu einer Wahrsagerin, die Jamina heißt. Sie lebt genau an dem Ort, an dem die Hexe, von der ich dir vorhin erzählte, verbrannt worden ist. So, und jetzt bist du dran.«
»Ihr habt schönes Wetter?«
»Klar.«
»Dann würde es sich lohnen, zu kommen.«
»Hoppla.« Er pfiff durch die Zähne. »Wann willst du denn hier eintreffen?«
»Heute noch. Ich fliege bis München und nehme mir dort einen Leihwagen.«
»Das
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