1037 - Zurück aus dem Jenseits
ihnen gewarnt worden, und weil dies so gewesen war, wußte sie auch, daß die Besucher erscheinen würden.
Ein Zeitpunkt war ihr nicht genannt worden. Auf keinen Fall wollte sich Jamina von den Besuchern überraschen lassen und ging deshalb daran, ihre Vorbereitungen zu treffen.
Sie verließ ihren Platz am Fenster und kümmerte sich um die Kugel, die für sie ungemein wichtig war. Jamina stellte sie nicht wieder zurück in das Versteck. Mit ihr zusammen verließ sie den Schlafräum und betrat ihr Arbeitszimmer.
Es war ein ungewöhnlicher Raum, der überhaupt nicht in diese Kulisse paßte. Aber er war wichtig, denn er mußte dieses rätselhafte Flair verbreiten. So etwas verlangte man einfach von einer Wahrsagerin, deren Kunden selbst aus einer großen Stadt wie München bei ihr in den Bergen erschienen, um etwas über ihr Schicksal zu erfahren.
Die Kugel stellte sie in eine Mulde des runden Tischs. Die kleine Vertiefung befand sich genau in der Mitte, und die Kugel paßte wirklich exakt hinein.
Der Tisch war beim ersten Hinsehen völlig glatt. Mochten seine Beine auch aus Holz gefertigt worden sein und die runde Platte ebenfalls, nicht aber deren Oberseite. Sie zeigte einen metallischen Glanz, der eigentlich nie gleich aussah, an gewissen Stellen mal heller und an anderen dunkler schimmerte. Licht und Schatten hatten sich darin vereinigt, als wollten sie den Tisch in Gut und Böse einteilen.
Die Kugel hatte ihren Platz gefunden, und Jamina konnte zufrieden sein. Bevor sie die Nähe des Tisches verließ, schickte sie der Kugel noch ein letztes Lächeln zu. Es wirkte geheimnisvoll und wissend zugleich, da sie sehr gut wußte, wie stark sie sich darauf verlassen konnte.
Es gab Licht und Schatten, wie immer in der Welt. Jamina stand auf der hellen Seite. Das Schicksal hatte sie an diese Stelle herangeführt. An diesen Ort mit seiner schlimmen Vergangenheit, wobei sich dieser Fluch für sie als Segen entwickelt hatte.
Das Zimmer war nicht hell möbliert worden. Zudem wurde das Licht des Tages noch durch Vorhänge abgedunkelt, damit eine Atmosphäre entstand, die Jaminas Besucher nicht enttäuschte. Jeder, der zu ihr kam, erschien mit einer gewissen Erwartungshaltung, und die wurde auch von der Wahrsagerin erfüllt.
Nur der Tisch und einige Stühle bildeten die Möblierung. Nichts anderes, denn beide Parteien sollten nicht abgelenkt werden.
Jamina verließ zufrieden ihr Arbeitszimmer und schloß leise die Tür. Sie ging barfuß durch den schmalen Flur wieder dem helleren Licht entgegen. Sie war gespannt, beinahe schon aufgedreht und nahm die sie umgebenden Gerüche wieder sehr intensiv wahr. So stark, daß hin und wieder ein Kribbeln über ihren Körper rann, vom Hals bis hin zu den Hacken.
So, wie sie jetzt angezogen war, wollte sie nicht bleiben. Sie würde sich umziehen, etwas essen und auf die Besucher warten, deren Schicksal sie spielen sollte.
***
Ich hatte in der vergangenen Nacht alles andere als gut geschlafen, und dafür gab es einen Grund.
Zwei Tote!
Zum einen eine junge Frau namens Tessa Hampton, die während einer Modenschau durch eine Kugelsalve auf dem Laufsteg getötet worden war, und das unter den Augen zahlreicher Zeugen. Auch die Conollys und ich waren dabei gewesen, denn uns war es um das Mannequin gegangen, einer Person, auf deren Stirn sich schwach ein drittes Auge abgezeichnet hatte, ein Beweis, daß sie zu den Psychonauten gehörte. Ihretwegen hatten wir auch die Modenschau besucht, waren allerdings von dieser schrecklichen Tat überrascht worden.
Den Mörder hatten wir stellen können. Bei einem folgenden Verhör hatte er sich verstockt gezeigt. Wir wußten nur, daß er Grieche war, was zu einigen Spekulationen führte, die einen Mann namens Leonidas betrafen. Er wiederum war vor Jahren von uns gejagt worden, weil er zu den Feinden der Psychonauten gehört hatte.
Ob es ihn noch gab, wußten wir nicht. Der Killer sollte uns darüber Auskunft geben, doch es war nicht mehr dazu gekommen. Er hatte uns geleimt und sich umgebracht. Ein alter Trick. Die Zyankalikapsel im Mund, die er zerbissen hatte.
Abgerissen war diese Spur, und wir konnten sehen, wo wir blieben. Deshalb eben meine unruhige Nacht. Ich ärgerte mich nicht nur darüber, daß der Killer uns durch den Selbstmord entwischt war, wir wußten auch nicht mehr, wo wir effektiv ansetzen sollten. Daß es um die Psychonauten ging, stand fest. Diejenige, die uns mehr darüber hätte sagen können, war auch nicht zu erreichen
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