1039 - Die Stimme der Bruderschaft
zurück. Die Besprechung dauert im Durchschnitt eine bis zwei Stunden.
Dann kommen Vornesch und der Angeworbene wieder zum Vorschein. Da Vornesch jedes Mal ein anderes Quartier benützt, entfällt die Möglichkeit, eine Abhöranlage einzubauen. Wir wissen nicht, wohin er sich beim nächsten Mal wenden wird. In einem Fall hatten wir Glück. Einer meiner Leute kannte den Angeworbenen und fragte ihn behutsam aus. Der Kerl wußte weiter nichts, als daß er sich Tag und Nacht bereit zu halten hat."
„Wozu?"
„Das ist ihm unbekannt."
„Und Vornesch womöglich auch?"
„Ich halte es sogar für wahrscheinlich. Im übrigen ist es denkbar, daß das Vorhaben zwar geheimnisvoll, aber durchaus ehrbar ist. Die Angeworbenen sind ohne Ausnahme Leute mit reiner Weste."
Herzog Gu gab mit einem Knurren zu verstehen, daß er mit der Entwicklung der Dinge nicht zufrieden sei. Inzwischen fuhr Arzyria fort: „Außerdem versieht Vornesch noch eine zweite Aufgabe. Er horcht sich in der Unterwelt um, ob jemand einen Anschlag auf Herzog Carnuum plant."
„Das verstehe ich schon eher", meinte Gu. „Ich dachte, zu diesem Zweck sei er eigentlich angeworben worden. Aber zurück zu der anderen Sache - hast du dir eines der Privatquartiere angesehen, in der er seine Leute anwirbt?"
„In einem Fall, ja. Es handelt sich um ein ganz gewöhnliches Appartement, das zur Vermietung freisteht. Normale Einrichtung, nichts Ausgefallenes oder Ungewöhnliches."
„Der Vermieter..."
„Wußte von der Sache nichts", fiel ihm Arzyria ins Wort. „Er könnte Klage bringen. Ich habe ihm davon abgeraten."
„Gut", pflichtete der Herzog bei. „Wir wollen Vornesch nicht unbedingt mißtrauisch machen. Immerhin scheinen seine Absichten doch nicht aus schneeweißem Herzen zu kommen. Sonst schliche er sich nicht heimlich - und dabei das Gesetz übertretend, wohlgemerkt! - in anderer Leute Wohnung." Er betupfte sich die Finger mit einem wohlriechenden Handtuch. „Sonst noch etwas?"
„Nichts Wichtiges", antwortete Arzyria. „Wir halten die Augen offen."
„Ausgezeichnet", sagte der Herzog. „Dann kann ich mich jetzt auf ein paar Stunden dem wohltätigen Geist der Träume widmen."
*
Musanhaar musterte das Gesicht des Kranen, der ihn aus der Bildfläche heraus anblickte. Beide seiner Berufe - der des Arztes in gleichem Maße wie der des Informationsspezialisten - befähigten ihn aufgrund langjähriger Erfahrung, im Gesicht eines intelligenten Wesens zu lesen wie in einem aufgeschlagenen Text. Der Krane, dessen Blick unbeirrt standhielt, wollte etwas vor ihm verbergen. Und er hatte Angst.
„Wirst du deinen Fahrplan einhalten, Tomason?" fragte Musanhaar.
Schwerfällig machte der Kommandant des Spoodie-Schiffs die Gebärde der Zustimmung.
„Wie weit seid ihr noch von Kran entfernt?"
„Zwölf Lichtjahre", antwortete Tomason.
„Dafür brauchst du einen Tag?" erkundigte sich Musanhaar ungläubig.
„Wenn ich Glück habe", antwortete der Kommandant zurückhaltend. „Solange die Bordpositronik sich unberechenbar verhält und die Schwierigkeiten mit dem Triebwerk nicht behoben sind, bin ich auf die Laune des Zufalls angewiesen."
Musanhaar seufzte. Es fiel ihm schwer, die Worte auszusprechen, die ihm auf der Zunge lagen. Aber er hatte keine andere Wahl. Zu eindeutig waren die Symptome, daß sich irgendwo entsetzliches Unheil zusammenbraute.
„Tomason, wie lange sind wir Freunde?"
Der Kommandant warf ihm einen halb verwunderten, halb mißtrauischen Blick zu.
„Achtzehn Jahre, wenn ich mich recht erinnere", antwortete er.
„Ich bin immer noch dein Freund", sagte Musanhaar mit schwerer Stimme, „auch wenn ich dir jetzt erkläre, daß ich mich von dir angelogen fühle."
Ein kurzes Blitzen in den Augen seines Gegenübers, eine hastige Bewegung der Schultern, als wolle Tomason zornig auffahren, aber dann sank er wieder in seinen Sitz zurück, und das eckig geratene Gesicht zeigte denselben Ausdruck wie zuvor.
Tomason widersprach nicht. Durch seine Reaktion ließ er den Freund wissen, daß er recht hatte.
„Wie, wenn ich es nur getan hätte, um Schaden zu verhüten?" fragte er.
„Wie kannst du das? Wenn Schaden zu befürchten ist, müssen alle davon wissen, die davon betroffen sein könnten. Wie sonst soll man etwas gegen die Bedrohung unternehmen?"
Tomason winkte ab. „Du kannst nichts dagegen tun", erklärte er kategorisch.
„Warum willst du nicht darüber sprechen?" drängte Musanhaar. „Wenigstens zu mir?
Wenn du verlangst,
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