1041 - Der Rächer
einschalten.«
»Das denke ich auch.«
»Wo ist es denn passiert?«
»An der anderen Seite. Wir müssen um die Mauer herum und…«
»Nein, nein, das brauchen wir nicht. Es gibt da eine Abkürzung. Folgen Sie mir bitte.«
»Das ist ja wunderbar, Hochwürden.« Shannon lächelte. Es lief besser, als er gedacht hatte. Das war alles zu seiner Zufriedenheit geregelt worden.
Ihm stand das Schicksal wirklich zur Seite.
Er ließ den alten Pfarrer nicht vorgehen, sondern blieb an dessen Seite. Der Mann war noch immer betroffen und schüttelte des öfteren den Kopf. Er kam einfach nicht damit zurecht, daß auf seinem Friedhof so etwas passiert war.
Feuchtes Laub klebte und raschelte auch unter ihren Füßen, als sie einen schmalen Weg entlangschritten, der direkt auf den Friedhof zuführte. Er endete vor einem schmalen Gittertor. Es hatte im Laufe der Zeit eine dicke Rostschicht angesetzt und ließ sich nur schwer öffnen. Shannon drückte es nach innen und überließ dem Pfarrer den Vortritt.
Die beiden Männer betraten die schweigende Welt. Um sie herum herrschte tiefe Totenruhe. Auch der Wind war eingeschlafen. Nichts bewegte sich. Kein Zweig zitterte, kein Laub wurde über den Boden bewegt, um raschelnde Geräusche zu hinterlassen.
Um die Kreuze und Grabsteine herum wehte der blasse Dunst.
Feuchtigkeit hatte sich auf dem Gestein abgesetzt und gab ihm einen gewissen Glanz. Manchmal huschte ein Tier in sicherer Entfernung vorbei. Zumeist eine Maus, deren Fiepen sie auch hörten.
»Wo ist es denn?« fragte der Priester, als er stehenblieb, denn sie hatten eine Wegkreuzung erreicht, an der ein altes Wasserbecken aus Stein stand.
»Geradeaus.«
»Oh, da befinden sich die ältesten Gräber.«
»Eben.«
»Sie stammen noch aus den letzten Jahrhunderten. Die Steine sind sehr wertvoll. Ein Zeugnis der Geschichte. Wenn sie verschmiert wären, ist das ungeheuerlich.«
Der alte Pfarrer war in seinem Element. Die schlaff gewordene Haut in seinem Gesicht zuckte bei jedem Wort. Er war so stark in seine Vorstellungen vertieft, daß er nicht auf Shannon achtete.
Patrick stand schräg hinter ihm.
Er hatte bereits ausgeholt – und schlug zu.
Der Schlag erwischte den Nacken des Pfarrers. Mitten im Satz verstummte der Mann. Er riß noch seinen Mund auf, verdrehte die Augen und sackte dann bewußtlos in die auffangbereiten Arme des jüngeren Mannes.
Shannon lachte bissig, bevor er sagte: »Es läuft doch alles wunderbar…«
***
Der Atem des Mannes mischte sich mit dem blassen Dunst. Shannon ließ sich jetzt Zeit. Er hatte den Bewußtlosen hochgehievt, über seine linke Schulter gehievt und war mit ihm zu dem Ort gegangen, den er sich schon zuvor ausgesucht hatte.
Es war ein Grab, auf dem ein Stein hochwuchs und kein Kreuz.
Kreuze mochte der Lehrer plötzlich nicht mehr. Er wollte Grabkreuze nicht einmal berühren. Sie erinnerten ihn daran, daß er trotz allem ein schlechtes Gewissen hatte.
Die Stricke lagen bereit. Zuvor mußte er sich um den bewußtlosen Pfarrer kümmern, den er hochhievte und mit dem Rücken gegen den Grabstein stemmte. Natürlich sackte der Mann zusammen, aber Shannon hielt ihn fest und band ihn an den Stein fest. Es war nicht einfach, denn er mußte den Pfarrer mit einer Hand festhalten, während er mit der anderen den Strick um Körper und Grabstein wickelte.
Je mehr Zeit verging, um so besser klappte es. Der Strick hielt ihn bereits in der Senkrechten. Das Birett war vom Kopf des Pfarrers gerutscht, es lag auf dem Grab, doch so etwas störte Patrick Shannon nicht. Es würde mit verbrennen.
Zuletzt wickelte er die Stricke noch um die Schultern des Mannes und knotete sie an der Rückseite zusammen.
Er war zufrieden. Zwar sackte der Körper noch ein und auch nach vorn, aber die Stricke hielten ihn fest, und er rutschte auch nicht mehr durch irgendwelche Lücken.
Hinter dem Grabstein auf weicher Erde hatte Shannon den mit Benzin gefüllten Kanister abgestellt. Er holte ihn und ging auf die Vorderseite des Grabes zu. Bei jedem Schritt gluckerte die Flüssigkeit. Für Shannon eine wunderbare Melodie. Schon jetzt trat in seine Augen ein fanatischer Glanz.
Auch das fünfte Opfer würde nicht mehr entkommen. Und weitere würden folgen.
Shannon atmete schwer. Er merkte, wie es wieder über ihn kam.
Er starrte auf den gefesselten, bewußtlosen Pfarrer, der hilflos in den Stricken hing. Der Kopf war nach rechts gerutscht, der Mund stand offen. Speichel tropfte hervor.
So wie er aussah, konnte er
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