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1046 - Der Hexenturm

1046 - Der Hexenturm

Titel: 1046 - Der Hexenturm
Autoren: Jason Dark
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sprachen dagegen. Einmal betrat ich einen dieser kleinen Räume. Auch hier hatten, die Bewohner nichts zurückgelassen. Die kleinen Zimmer waren leer. Nur Moos wucherte auf dem Boden.
    Ich schaute nach draußen.
    Berge wie Schatten. Über ihnen schwebte tief im Westen noch das letzte, helle Licht des verschwindenden Tages wie die Uferregion eines blankgeputzten Sees. Auch dieser Rest würde bald von der Dunkelheit verschlungen werden, denn sie war stärker.
    Ein düsteres Meer lag in gleicher Höhe. Wie breite Inseln schwebte der Dunst an den Bergflanken und hatte sich auch in die Täler hineingedrückt. Lichter sah ich nicht. In dieser Welt mußte man sich einfach verlassen vorkommen. Der Himmel war ohne Sterne. Keine Mondsichel malte sich ab. Wir waren Gefangene in der Region des Schweigens und umgeben von Resten einer weit zurückliegenden Vergangenheit.
    Ich drehte mich wieder um. Die Lampe hatte ich ausgeschaltet. Mara und Marek standen wie zwei Figuren nebeneinander. Die Frau hatte sich schutzsuchend gegend den Pfähler gedrückt.
    »Nun? Hast du was entdeckt, John?«
    »Wenn du die Eulen meinst, dann nicht.«
    »Verdammt, sie müssen doch hier in der Nähe sein.«
    »Sind sie auch. Davon bin ich überzeugt. Aber sie warten auf einen günstigen Zeitpunkt. Noch haben wir sie nicht gestört…«
    »Wir sind noch nicht oben.«
    »Eben.« Ich ging auf die beiden zu und sprach weiter. »Ich hätte gern gewußt, wie es dort oben aussieht. Aber das hat uns leider niemand sagen können.«
    Mara flüsterte dem Pfähler etwas zu.
    »Was sagt sie?« fragte ich.
    »Nicht viel, John. Sie will nur so bald wie möglich ihr Kind finden. Sie spürt, daß es in der Nähe ist. Sie spricht davon, daß die Verbindung zwischen ihm und ihr sich verdichtet hat.« Er blickte mich so intensiv an, daß für mich klar war, wie stark Marek daran glaubte.
    »Sag ihr, daß ich auch nicht anders denke. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. So ein Turm kann sich leicht als Falle entpuppen.« Ich ging an ihnen vorbei und lächelte Mara dabei zu. Sie erwiderte das Lächeln nicht, ihr Gesicht blieb weiterhin starr.
    Ich nahm wieder die Lampe zu Hilfe. Der Strahl glitt über die unregelmäßigen Stufen hinweg.
    Die Dunkelheit blieb. Ebenso die Feuchtigkeit. Sie klebte nicht nur an den Wänden, wir spürten sie auch, wenn wir einatmeten. Da legte sie sich auf unsere Lungen, und dieser alte Geschmack wollte einfach nicht weichen.
    Der nächste Absatz kam in Sicht.
    Wieder blieben wir stehen, lauschten. In die Tiefe ebenso wie in die Höhe.
    Nichts war zu hören.
    Wir setzten den Weg fort. Wenn kleinere Steine auf den Stufen lagen, so spürten wir sie nicht, weil ein Teppich aus Moos und dünnen Pflanzen darüber gewachsen war.
    Das Ziel rückte immer näher. Es war auch daran zu merken, daß der Wind stärker durch die lukenähnlichen Fenster in den offenen Räumen blies, so daß Durchzug herrschte.
    Auch in mir wuchs die Spannung. Ich war der Ansicht, daß einfach etwas passieren mußte. Wir würden bald das Ziel erreicht haben, aber was gab es dort zu sehen?
    Bevor ich die nächsten Stufen in Angriff nahm, drehte ich mich um.
    Mara und Frantisek schauten mich an. Ihre Gesichter waren bleich. Nur die Augen stachen größer daraus hervor. Trotz der Kälte schimmerte Schweiß auf ihren Gesichtern.
    »Wir sind bald da, nicht?«
    Ich nickte Marek zu.
    »Man spürt es.«
    »Du auch, John?«
    »Es bleibt ein verdammt ungutes Gefühl zurück. Das spürt auch Mara. Sie hat große Angst vor der nahen Zukunft bekommen, obwohl sie darauf wartet, ihr Kind zu sehen.«
    Ich konnte es nachvollziehen. Drehte mich wieder um. Ging weiter.
    Plötzlich kam es mir vor, als würde ich alles in meiner Umgebung überdeutlich wahrnehmen und erleben. Die Realität war aus dem Hintergrund hervorgetreten und hatte sich in den Vordergrund geschoben. Es war nicht mehr weit bis zu dem Zentrum, in dem eine furchtbare Kraft ihre Fäden zog.
    Dabei versuchte ich, mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Ich setzte den Weg fort. Hinter mir erklommen Marek und sein Schützling die Treppe.
    Zwei Stufen ging ich. Dann passierte es.
    Es kam für mich nicht einmal überraschend. Als hätten wir drei darauf gewartet.
    Trotzdem war es schrecklich und unheimlich zugleich. Von oben her wehte uns das leise Weinen eines Kindes entgegen, und hinter meinem Rücken hörte ich Maras Stimme, die nur ein Wort hervorbrachte.
    »Jana…«
    ***
    Scharf und zischend stieß ich den Atem aus.
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