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1046 - Der Hexenturm

1046 - Der Hexenturm

Titel: 1046 - Der Hexenturm
Autoren: Jason Dark
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mehr an einen Hauch, in dem die Worte ineinanderliefen. Wir hatten Mühe, sie auseinanderzuhalten. Seltsamerweise benutzte sie die deutsche Sprache, damit auch ich sie verstehen konnte, denn meine rumänischen Sprachkenntnisse waren mehr als gering. Da verstand ich wirklich nur Fragmente.
    »Ich habe schon einmal versagt und möchte es nicht wieder. Diesmal will ich retten, was noch zu retten ist. Ich muß die Kinder so gut wie möglich beschützen.«
    Für mich waren die Worte böhmische Dörfer. Deshalb wandte ich mich an Marek. »Was meint sie damit?« wisperte ich ihm zu.
    Er schüttelte unwirsch den Kopf. »Sei still. Genova ist gekommen, um es zu erklären.«
    »Ich habe damals versagt.« Sie blieb bei ihrer Meinung. »Es liegt schon lange zurück. Ich war im Heim für Waisenkinder, und auch dort sind die Eulen aufgetaucht. Diese verfluchten Kreaturen haben die Kinder geraubt. Ich bin nicht in der Lage gewesen, sie zu beschützen. Sie wurden von den Eulen auf eine bestimmte Art und Weise mißbraucht, denn diese Tiere, die so aussehen wie Eulen, sind in Wirklichkeit anders. Es sind tatsächlich Hexen gewesen. Damals, hier auf der Burg. Hexen, die man verflucht und in Eulen verwandelt hatte. Sie konnten sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden. Sie wollten alles rückgängig machen. Sie wollten wieder zu Hexen werden, und das können sie nur schaffen, wenn sie das junge Leben haben. Die noch starke Kraft der Kinder sorgt dafür, daß sie ihr erstes Leben nicht vergessen. Die Kinder sind noch frische Menschen. Sie sind unschuldig, doch in den Körpern der Hexen steckt die böse Kraft der Hölle. Das ist schon früher so gewesen, und das hat sich bis heute leider gehalten. Unser Waisenhaus ist damals ihr Ziel gewesen, und ich habe es nicht verhindern können. Ich bin daran zerbrochen. Ich konnte nicht mehr weiterleben. Es war mir unmöglich. Ich bin geflohen. Sehr bald merkte ich, daß ich vor den anderen davonlaufen konnte, aber nicht vor mir selbst. Denn jeder Mensch hat ein Gewissen. Ich bilde da keine Ausnahme. Und mein Gewissen trieb mich dazu, in den Tod zu gehen, obwohl es sich nicht mit meinem Glauben vereinbaren ließ.«
    »Sie haben Selbstmord verübt?« fragte ich, weil Genova eine kurze Redepause einlegte.
    »Ja, ich habe mich getötet.«
    »Und weiter?«
    »Ich fand keine Ruhe. Ich schaffte es einfach nicht, in das Jenseits einzutauchen. Man wollte mich dort nicht haben. Ich war wie bestraft, ich litt, ich mußte in einer Zwischenwelt bleiben. Ich bin weder Geist noch Mensch, aber ich bin vorhanden, und ich sehe mich selbst als Verfluchte an. Zugleich aber bin ich jemand, der retten möchte, was zu retten ist. Ich beobachte, und ich weiß, daß sich in all den Jahren nicht viel geändert hat. Es gibt die Eulen noch immer. Sie scheinen unsterblich zu sein, und es gibt auch wieder Kinder, die sie sich geholt haben. Weg von ihren Müttern und Vätern. Neue Energie für die Hexen-Eulen, die es noch immer nicht aufgegeben haben, so zu werden, wie sie einmal gewesen sind. Menschen und Hexen.«
    Eine interessante Geschichte, über die ich ebenso nachdachte wie Frantisek Marek und auch Mara Laurescu, wie mir schien. Mir wurde auch klar, warum ich plötzlich den Körper einer Frau innerhalb dieser innerlich ausglühenden Eule gesehen hatte. Das war einfach die wahre Hexengestalt gewesen.
    »Wo kommen die Hexen her?« wollte ich wissen. »Wo haben sie damals gelebt? Sie müssen eine Vergangenheit haben. Oder sind sie einfach aus der Hölle geschossen worden?«
    »Nein, das nicht. Es waren viele Hexen. Waldhexen. Aus den Tiefen dieser Wälder, in die sie sich verkrochen haben. Sie zollten dort dem Teufel Tribut. Sie gingen ihren schrecklichen Ritualen nach, aber sie wurden irgendwann gestellt. Es war die Familie der Pirnescu, die sich daran beteiligte. Ihr gehörte das Schloß und auch der Turm, in dem wir uns befinden. Sie haben die Hexen gestellt.«
    Das war mir zuwenig. Ich wollte mehr wissen. »Was tat man mit ihnen? Es gab Zeiten, da wurden Frauen verbrannt, ob sie nun Hexen waren oder nicht.«
    »Nicht hier«, erklärte mir die Nonne. »Man hat sie nicht verbrannt. Man tat etwas anderes mit ihnen. Man blendete sie. Ihnen wurde das Augenlicht genommen. Anschließend jagte man sie blind in die Wälder hinein. Man dachte, daß es genug gewesen wäre, aber man hat sich geirrt. Die Hexen kehrten zurück, und sie wurden schlimmer den je. Ihre Häscher haben sie damals unterschätzt. Sie hätten sie wirklich dem
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