1052 - Die Nekropole
Darstellungen, wie wir sie aus vergangenen Zeiten kennen.
Unter den Gestalten waren Striche an die Wand gemalt worden.
Sie lagen übereinander, wurden nach unten hin immer schmaler.
Das konnte eine Treppe darstellen, die in die Tiefe führte.
»Was sagst du jetzt, Suko?«
»Interessant.«
»Da hat uns jemand eine Botschaft hinterlassen. Ich denke, daß es der Junge gewesen ist.«
»Kannst du sie lesen?«
»Du nicht?«
»Ich will es von dir hören, John.«
»Also gut«, gab ich zu. »Die Strichmännchen sind möglicherweise die verschwundenen Kinder. Über ihnen schwebt eine schreckliche Fratze oder ein finsteres Wesen, das sich durchaus mit dem Götzen Baal in Verbindung bringen läßt.« Ich zeichnete mit den Fingern die Striche nach. »Und dann ist da noch eine Treppe zu sehen, die in die Tiefe führt. Für mich ist das eindeutig.«
»Sehr gut, John. Das alles finden wir dann in der ausgegrabenen Nekropole.«
»Genau. In der es die Treppe gibt, die in die Tiefe führt und damit zu einem bestimmten Bereich, in dem der Götze Baal seine Herrschaft ausübt.«
»Starker Hinweis. Der Junge ist schon gut. Ich denke, daß er auf unserer Seite steht.«
»Jetzt ja.«
Suko zwinkerte mir zu. »Machen wir uns sofort auf den Weg zu dieser Nekropole oder begrüßen wir erst unseren Freund La Roche?«
»Was sollen wir ihm sagen?«
»Bestimmt nicht die Wahrheit.«
»Eben. Und eine Ausrede muß verdammt gut begründet sein, finde ich zumindest.«
»Also kümmern wir uns nicht um ihn.«
»Genau das habe ich gemeint.«
Einen Wagen hatten wir nicht, doch es gab Taxis, die uns zum Ziel bringen konnten. Durch das Erscheinen der beiden Kreaturen gewarnt, waren wir noch vorsichtiger geworden, als wir das Haus verließen und in der schmalen Gasse dicht an die Hauswand gepreßt stehen blieben.
Es war noch immer für uns eine fremde Umgebung, von exotischen Gerüchen durchweht, aber sie war nicht gefährlich.
Das Leben lief hier normal ab. Nur wenige Menschen verirrten sich in diese bestimmte Gasse. Von den Einnahmen hier hätte keine Hure leben können.
La Roche und auch der Junge waren nicht zu sehen. Daß sich das Kind nicht zeigte, konnten wir noch verstehen. La Roches Verhalten kam uns schon ungewöhnlich vor. Ich an seiner Stelle hätte versucht, meine Schützlinge zu suchen. Möglicherweise hatte er es getan und schließlich aufgegeben. Daran glauben konnte ich nicht so recht. Gegen ihn hatte sich in mir ein tiefes Misstrauen festgesetzt.
Wir nahmen nicht den gleichen Weg, sondern gingen in die andere Richtung, weil wir beide davon überzeugt waren, das Ende des Basars so gut wie erreicht zu haben.
Die schmale Straße entpuppte sich glücklicherweise nicht als Sackgasse. Zwar verengte sie sich an ihrem zweiten Ende noch stärker, so daß wir unter einer Brücke hergehen mußten, die zwei Häuser miteinander verband, dahinter aber weitete sich die Umgebung. Es wurde heller, die Häuser standen nicht mehr so dicht. Wir näherten uns einem kleinen, aber belebten Platz.
Wir atmeten auf, als wir über uns den blauen Himmel sahen. Die ersten Autos fuhren. Wir hörten das Hupen, die Stimmen der Menschen waren wieder da, und so hielten wir automatisch Ausschau nach einem Taxi.
Es dauerte noch eine Weile, bis wir es gefunden hatten. Auch nur durch einen Zufall, weil der Fahrer an einer Tankstelle Benzin einfüllen mußte.
Da gab es nur zwei Zapfsäulen, die in einer Lücke zwischen zwei Häusern auf dem lehmigen und hart getretenen Boden standen. Der Tankwart saß daneben und laß in einer Zeitung. Einige Kinder standen herum und schauten zu.
Ich sprach den Fahrer an. Er war ein kleiner Mann mit kugeligem Bauch. Auf seinem Kopf trug er eine flache Mütze.
»Wohin wollen Sie?«
»Fahren Sie uns zu den Ruinen.«
In seinen Augen funkelte es. Er strich über sein fleckiges Jackett.
»Nur gegen Vorkasse.«
»Wie viel?«
»Haben Sie Dollars?«
»Nein, englische Pfund.«
Da leuchteten die kleinen Augen noch stärker. Er verlangte zehn Pfund. Das war natürlich um einiges überhöht, doch wir befanden uns in einer schlechteren Lage. Ich stimmte zu, der Fahrer zahlte seinen Sprit, kassierte den Vorschuss und öffnete uns sogar die Türen.
Sein Wagen war ein alter Renault 16 aus den siebziger Jahren. Eine weiche Schaukel, deren Federung auch nicht mehr zu dem besten gehörte, was die Automobil-Industrie zu bieten hatte. Auch die Bezüge waren mehr als verschlissen. Es stank im Wagen, aber das Ding fuhr trotzdem,
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