1052 - Die Nekropole
ich den Kopf weit zurück.
Ich sah das Gestein und entdeckte auch weitere Öffnungen, wobei eine davon mir besonders ins Auge stach, weil sie größer war als alle anderen.
Wieder schaute ich auf die Leiter. Ich verglich ihre Maße mit der Entfernung zum größeren Eingang. Das mußte hinkommen, wenn ich mich nicht zu stark verrechnet hatte.
Ich bückte mich. Die Leiter war nicht leicht. Ich wuchtete sie hoch, drehte sie und konnte sie dann an die Wand lehnen. In der Tat endete sie direkt unter dem Eingang der großen Höhle.
Suko hatte mich beobachtet. »He, was machst du denn da?«
»Das siehst du doch.«
Er kam näher. Schaute hoch und nickte. »Ist das der Eingang zum eigentlichen Ziel?«
»Er könnte es sein.«
»Okay, dann schau nach.«
Sicherheitshalber hielt Suko die Leiter fest, als ich die Sprossen hochkletterte. Sie war stabil gebaut, so daß sich keine Sprosse unter meinem Gewicht bog.
Ich passierte noch kleinere Öffnungen, in die ich erst gar nicht hineinleuchtete. Das geschah erst, als ich stehen geblieben war. Dieser Höhleneingang besaß ungefähr die dreifache Größe. Zwar würden wir noch kriechen müssen, doch es war kein Problem, dieses Grab zu betreten.
Ob es tatsächlich ein Grab war, wollte ich zunächst dahingestellt sein lassen und leuchtete erst einmal hinein.
Kein Ziel. Der scharfe Strahl, der aussah wie eine helle Lanze, verlor sich in der Finsternis.
Ich konnte das triumphierende Lächeln nicht zurückhalten. Auch Suko, der unten stand und die Leiter festhielt, hatte etwas bemerkt.
»He, was ist da anders?«
»Ich denke, wir haben es gefunden.«
»Wunderbar. Und jetzt?«
»Werde ich gleich in der Höhle verschwunden sein.«
»Gut, dann komme ich nach.«
Ich setzte meinen Vorsatz in die Tat um und kletterte über die letzte Sprosse hinweg. Auf dem Bauch vorangleitend, drückte ich mich in die Höhle hinein. Die kleine Lampe hatte ich mir zwischen die Lippen gesteckt. Der Schein tanzte bei jeder Bewegung auf und ab.
Er schnitt hinein in die staubige Finsternis, und durch die Helligkeit tanzte der Staub wie Nebel.
Ich wartete auf Suko. Diesmal hielt ich die Leiter am oberen Ende fest. Ich merkte und hörte, wie er in die Höhe kletterte. Sein zu einem Grinsen verzogenes Gesicht erschien zuerst, danach die Schultern, dann streckte ich ihm die Hand entgegen, die er dankend annahm.
Er kroch neben mich und nickte. »So, das hätten wir. Ich freue mich schon auf unseren Besuch bei Baal…«
Daraus wurde zunächst nichts. Uns umgab nur die Finsternis der Höhle. Wir sahen keinen Götzen, wir entdeckten keinen Menschen, wir blieben völlig allein und unserem Schicksal überlassen.
In einer derartigen Situation sieht man schon die kleinste Verbesserung als Vorteil an. Hier lag es an der Höhe der Höhle oder des Grabzugangs. Wir brauchten gleich nach dem Eingang nicht mehr auf allen vieren zu kriechen, sondern konnten uns normal hinstellen und wenn auch gebückt – weitergehen.
Rechts und links bildete das alte Gestein ein undurchsichtiges Hindernis. Wer eine Höhle betritt und auch tief in sie hineingeht, muß nicht nur damit rechnen, daß etwas Unvorhergesehenes passiert, er kann auch davon ausgehen, daß die Luft einfach schlechter wird, weil sie an Sauerstoff verliert.
Das erlebten wir auf unserem vorsichtigen Weg nicht. Die Luft blieb gleich gut oder gleich schlecht. Irgendwo in dieser Wand oder auch weiter vor uns mußte es Lücken oder Eingänge geben, durch die Luft in diese finstere Welt drang.
Wir erlebten eine seltsame Atmosphäre, oder eine, die keine war.
Paradox gedacht, doch mir kam es so vor. Hier hatte ich den Eindruck, die vergrabene Vergangenheit zu erleben. Man hielt sie hier versteckt. Als wären um uns herum unsichtbare Botschaften verteilt, die von jedem Stein, jedem Krumen ausgingen und uns einlullten.
Etwas war trotzdem vorhanden. Noch verdeckt durch den Vorhang der Finsternis, so daß es sich nicht versteckt halten konnte. Es blühte im Verborgenen. Es lauerte in der Finsternis oder in den Wänden versteckt und auch im Boden vor uns begraben.
Das Licht der kleinen Lampen kam uns noch kälter vor als sonst.
Es tanzte vor uns her wie zwei Boten, die irgendwelchen Wesen unsere Ankunft melden wollten.
Natürlich dachten wir auch an die entführten Kinder. Wir beide glaubten daran, daß sie in dieser Höhle, möglicherweise an deren Ende, festgehalten wurden, genaues stand noch in den Sternen. Sollten wir sie nicht finden, hatte die andere
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