1052 - Finale auf Chircool
..."
Die letzten Worte ahnte Jörg mehr, als er sie wirklich hörte.
Wieder zischte ein Flammenstrahl durch den Wald.
Jörg Breiskoll sah, daß er hier nichts mehr tun konnte.
Doc Ming hatte sich halb in die Höhe gerichtet. Er kniete auf dem Boden und starrte auf den toten Burger.
Ohne ein Wort warf sich der junge Betschide den Heiler erneut über die Schultern und spurtete tiefer in den Wald. Gleichzeitig wich er seitlich aus der Schußrichtung aus.
Wenig später wurde das Feuer aus dem Robotstützpunkt eingestellt. Jörg setzte den Doc ab.
Ringsum herrschte wieder das Dunkel der Nacht. Die Flammen der brennenden Bäume drangen nicht bis zu dieser Stelle vor.
Der Heiler kramte aus seiner Felltasche ein Talglicht hervor. Jörg entzündete es an seinem Feuerstein. Dann stellte er es auf dem Boden ab.
Die Holzschienen am gebrochenen Bein hingen kreuz und quer herum. Schweigend machte sich der Betschide daran, dem Bein des Heilers wieder einen festen Halt zu geben.
Als er mit dieser Arbeit fertig war, reichte er Doc Ming die Lederflasche mit dem Wasser.
Als der Heiler einen Schluck genommen hatte, stärkte sich auch der junge Jäger.
Sie lehnten sich beide an einen Baum.
„Danke", flüsterte Doc Ming. „Willst du jetzt aufgeben?"
„Aufgeben?" Der junge Betschide stieß einen heiseren Laut aus. „Ich gebe nie auf. Ich hätte auch nicht aufgegeben, wenn es dich erwischt hätte."
Er hörte den Heiler aufatmen.
Jörg Breiskolls Gedanken schweiften zurück. Wann und wie hatte das alles begonnen?
Eigentlich vor zwei Tagen, sagte er sich.
Nein. Claude St. Vain hatte sich schon viel länger sehr seltsam verhalten. Und dann waren da diese merkwürdigen Vorkommnisse gewesen, die sich erst jetzt zu einem konkreten Verdacht verdichtet hatten.
Es hatte in jener Nacht begonnen, in der er die Einsamkeit gesucht hatte...
2.
Er liebte die Nacht, die die Bauern so fürchteten.
Man nannte ihn den „Kater". Mit diesem Namen verband sich die Vorstellung von einem Tier der Urväter, das schnell, gewandt und raffiniert war. Auf Chircool gab es kein Wesen, das sich mit einem Kater oder einer Katze vergleichen ließ.
Einer seiner Vorfahren, so wußte der Doc, war noch katzenhafter gewesen als er selbst.
Eine der vielen verfälschten Überlieferungen besagte, daß man diesen den „Katzer" genannt hatte und daß sein Name Bjo Breiskoll gewesen war.
Jörg glaubte nicht recht an diese Geschichte, denn vieles, was er in der kleinen Siedlung der Betschiden gelernt hatte, hatte sich später als Verfälschung von offensichtlichen Tatsachen herausgestellt.
Er sagte in seinen Gedanken bewußt Siedlung, nicht Schiff, wie es die Alten taten, die in einer Wirklichkeit lebten, die in grotesken Verleugnungen der Tatsachen gipfelte.
Er liebte die Nacht, weil er etwas mit diesem Tier der Urväter gemeinsam hatte. Auch seine Übersensibilität für bestimmte Situationen mußte eine Eigenschaft dieser „Katze" sein, sagte er sich.
Daß sein Urvater Bjo außergewöhnliche Kräfte besessen haben sollte, reihte Jörg in den Bereich der verfälschten Überlieferungen ein.
Er hatte schon oft bemerkt, daß er bei Nacht auch besser sehen konnte als die anderen jungen Jäger. Seinem Charakter entsprechend behielt er solche Erkenntnisse für sich.
In dieser Nacht hatte er sich auf die Suche nach der Pflanze gemacht, die er einmal vor drei oder vier Jahren bei einem heimlichen Ausflug in die Wildnis beobachtet hatte. Er war gerade sechzehn Jahre alt geworden und galt damit als ein Mann.
Wie sehr er ein Mann war, spürte er, seit er einmal in die unergründlichen Augen von Francette geblickt hatte. Es war ihm noch jetzt ein Rätsel, daß ihm das Mädchen nicht früher aufgefallen war. Bei 250 Betschiden, die das Schiff (nein - die Siedlung!) bewohnten, kannte er natürlich jeden einzelnen.
Francette war der wahre Grund für die Unruhe, die ihn jetzt in die nicht ungefährliche Nacht hinaustrieb. Er wollte etwas Ungewöhnliches tun, um die Aufmerksamkeit des Mädchens zu erregen.
Seine Hand tastete über den Bogen, der über seiner linken Schulter hing. Den Köcher mit den Pfeilen spürte er auf dem Rücken. Das Messer steckte in dem Ledergürtel, der den Fellumhang zusammenhielt.
Jörg Breiskoll schritt durch die Savanne auf den nahen Hügel zu. Dort hatte er vor Jahren die Pflanze gesehen, die ihm zu seinem Glück verhelfen sollte.
Vor seinen Augen sah er das Bild Francettes. Er verglich das Mädchen mit den Herrlichkeiten
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