1054 - Die Leibwächterin
vorgestellt?«
»Ich weiß es nicht genau. Oder sagen wir so.« Er legte seinen Kopf schief. »Eine mehr menschlichere Reaktion.«
»Aha.«
Costello fühlte sich genötigt, weiterzusprechen. »Ja, mehr menschlich. Aus Angst bestehend. Es hätte mich nicht einmal gewundert, wenn du durchgedreht wärst. Wäre alles sogar verständlich gewesen. Es ist für einen normalen Menschen nicht leicht, mit diesen Geschöpfen konfrontiert zu werden.«
»Das weiß ich.«
»Um so besser, daß du dich nicht hast aus dem Konzept bringen lassen. Kompliment.«
Darauf kann ich verzichten, dachte Karina. Allerdings stellte sie eine Frage, die in eine andere Richtung zielte. »Was wäre denn geschehen, wenn ich normal menschlich reagiert hätte?«
»Willst du das wissen?«
»Gern!«
»Ich hätte gewußt, daß du für diesen Job nichts taugst, Karina. Das ist alles. Es war der letzte Test. Du hast ihn bestanden, ansonsten aber…«
»Reden Sie ruhig weiter!«
»Ansonsten hätten wir dich den Vampiren überlassen. Schau sie dir an. Sie sind hungrig. Sie wollen Blut. Sie brauchen es. Ihre Gier ist kaum zu beschreiben.«
Das stimmte. Nur wunderte sich Karina, und sie verwandelte diese Verwunderung auch um in Worte. »Wie ist es denn möglich, daß Sie und Franco nicht attackiert wurden?«
»Die Lösung liegt auf der Hand, Karina. Auch sie können nicht so handeln, wie sie wollen. Sie stehen ebenfalls unter einem großen Druck. Unter Befehl.«
»Wer gab ihn?«
»Jemand, der mein Partner ist.«
Karina hob die Schultern. »Es tut mir leid, aber da komme ich nicht mit.«
Das Betongesicht winkte ab. »Du brauchst auch nicht alles zu wissen.« Er deutete auf die drei Blutsauger. »Sei nur gewiß, daß sie nicht aus eigenem Antrieb handeln. Es steht noch eine Kraft hinter ihnen, auf die ich mich verlassen kann.«
»Woher kommen sie denn?«
Costello überlegte einen Moment. Die Frage gefiel ihm nicht, das war ihm anzusehen. Auf seinem glatten Gesicht erschien ein Muster aus Falten. Er überlegte, ob er die Antwort geben sollte und achtete auch darauf, was ihm Franco ins Ohr flüsterte. Damit war er wohl nicht einverstanden, denn er schüttelte den Kopf.
»Ich werde es dir sagen, Karina. Nimm es an als ein Beweis meines Vertrauens zu dir. Sie stammen nicht von mir. Nicht aus irgendwelchen alten Grüften oder Gräbern. Sie sind nicht von dieser Welt. Sie haben eine eigene, eine Vampirwelt. Nicht sichtbar für uns Menschen, aber vorhanden. Sie wird beherrscht von meinem neuen Partner. Er hat Kesslee, Tyra und Tronk geschickt. Ein Trio, das niemand stoppen kann. Das allerdings eine Führungsperson benötigt, verstehst du?«
Karina Grischin war nicht auf den Kopf gefallen. »Natürlich verstehe ich. Die Führungsperson soll ich wahrscheinlich sein. Oder liege ich da falsch?«
»Ich bewunderte deinen Scharfsinn.«
Die Russin wußte nicht, was sie erwidern sollte. Sie gab sich selbst den Befehl, sich nur zusammenzureißen. Die beiden sollten nicht merken, wie es bei ihr aussah. Sie atmete ruhig, auch wenn es ihr schwerfiel und hielt die Lippen fest zusammengepreßt.
»Warum sagst du nichts?«
»Gute Frage«, flüsterte Karina. »Es fällt mir schwer, verdammt schwer sogar. Ich habe mit vielem gerechnet und mich auch auf jeden Job eingestellt. Daß es aber so laufen würde, das hätte ich beim besten Willen nicht gedacht. Das kann ich mir auch nicht vorstellen.«
»Warum nicht?«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Costello. Ich möchte den Job nicht ablehnen, aber es gibt Dinge, an die ich mich kaum gewöhnen kann. Das ist zuviel. Ich habe drei Blutsauger um mich herum. Ich muß immer damit rechnen, daß sie mich angreifen, mich anfallen, mich leersaugen. Mich fertigmachen wollen, mein warmes Blut trinken und mich ebenfalls zu einem Vampir machen wollen.«
Sie schüttelte sich. »Ich hatte gedacht, daß es anders laufen würde. Daß ich Ihre Leibwächterin bin. Jetzt soll ich auf drei lebende Tote aufpassen und muß mich sogar hüten, ihnen den Rücken zuzudrehen. Verstehen Sie meine Bedenken?«
Karina hatte nicht mit Costellos Verständnis gerechnet und wunderte sich schon ein wenig, als er nickte. »Ja, das verstehe ich. Wir beide sind Menschen, die Vampire sind es nicht. Du mußt mir vertrauen, auch wenn es sich seltsam anhört, Karina. Wir Menschen haben trotzdem die Macht über sie. Wenn Tyra gewollt hätte, dann würdest du jetzt blutleer und bewegungslos hier auf dem Boden liegen. Sie hat es nicht getan, weil sie genau
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