1059 - Der Scharfrichter
ihm beide Hände entgegen. »Schrauben Sie Ihre Erwartungen bitte nicht zu hoch. Es ist ein Versuch und noch keine Lösung. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Das wenige hat schon gereicht.«
»Dann bin ich zufrieden.«
Doug Pinter sackte zusammen. Er beugte den Kopf vor und wirkte wie ein Mensch, dem eine große Last abgenommen worden war. Er sah wieder Licht am Ende des Tunnels. Er hatte gedacht, ausgelacht zu werden, doch das war nicht eingetroffen.
»Möchten Sie noch einen Whisky, Mr. Pinter?«
»Nein, danke, ich werde jetzt gehen.«
»Fahren Sie zurück?«
Pinter schüttelte den Kopf. »Ich habe ein Zimmer in einer kleinen Pension gefunden. Dort werde ich dann übernachten. Ich fahre morgen wieder zurück nach Mayne. Alles andere wird sich ja ergeben, hoffe ich.« Er schaute dem Bischof vertrauensvoll in die Augen, und Crayton nickte ihm zu. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich werde alles tun, um mein Versprechen einzulösen. Warten Sie noch, ich bringe Sie bis zur Tür.«
»Danke, Sir.«
Der Bischof wohnte im Schatten der Kirche. Als er die Tür öffnete, lächelte er. »Der Wetterbericht hat recht. Der Sturm hat nachgelassen. Sehr gut für uns alle.«
Der äußere Sturm schon, dachte Pinter, aber der andere nicht. Er reichte dem Bischof die Hand, bedankte sich noch einmal für die Hilfe und ging davon.
Doug Pinter war davon überzeugt, das Richtige getan zu haben.
Jetzt konnte er nur hoffen, daß der Bischof sein Versprechen einhielt und diesem Mann aus London Bescheid gab.
Neben seinem Wagen blieb er stehen. Pinter ärgerte sich jetzt, kein Handy zu besitzen. Er hätte gern mit seiner Frau gesprochen, um ihr zu sagen, daß sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Vor Mitternacht ging sie nie ins Bett. Möglicherweise war sie auch jetzt noch auf.
Pinter fuhr bis zu einer Telefonzelle. Von dort aus rief er an und wurde kalkbleich, weil bei ihm zu Hause niemand abhob. So fest schlief Mary nicht, als daß sie das Klingeln nicht gehört hätte.
Er schwitzte und fror zugleich, als er daran dachte, daß etwas passiert war.
Er mußte nach Hause und wußte auch, daß er es nicht schaffen würde. Es war zu spät geworden, und er war einfach zu kaputt. Er sank nach vorn und preßte seine Stirn gegen das kalte Glas.
Warum war seine Frau nicht im Haus? Warum lag sie nicht in ihrem Bett? Es gab keinen Grund, das Haus zu verlassen, und sie hatte sich auch nicht mit einer Freundin oder Bekannten verabredet. Schon gar nicht in der Nacht.
Er dachte an die drei Verschwundenen. Kam jetzt eine vierte Person hinzu?
Pinter wußte nicht, was er machen sollte. Gut, er konnte einen Nachbarn anrufen, damit der hinging und nachschaute. Aber das war auch nicht das Wahre. Er wollte keine Pferde scheu machen.
Der Küster gestand sich ein, daß er mit den Problemen allein fertig werden mußte. Er mußte sich selbst beruhigen und auch versuchen, noch etwas zu schlafen. So schwer ihm dies auch fallen würde. Das war trotzdem die beste Lösung.
Schweißnaß verließ er die Zelle. Als er hinter dem Lenkrad saß, zitterte er noch immer.
In seiner Phantasie sah er eine große, schmutzige und verzerrt wirkende Gestalt, die über Mayne schwebte und dabei versuchte, all diejenigen zu töten, die sie mit ihrem Beil erwischen konnte.
Der Küster faltete die Hände. Es hatte immer wieder Momente in seinem Leben gegeben, in denen ihm ein Gebet geholfen hatte.
Auch hier versuchte er es.
Erleichterung fand er nicht. Die Furcht vor der Zukunft war einfach zu groß…
***
Ich lebe noch! Ich bin wach! Ich friere! Es ist alles so dumpf! Ich habe Schmerzen!
Diese Gedanken peinigten Mary Pinter.
Sie öffnete beide Augen.
Nichts war zu sehen. Vor ihr lag eine seltsam feste Dunkelheit.
Sie glaubte, in der Ferne Geräusche zu hören. Die waren ihr im Moment egal. Sie wollte nur mit sich selbst zurechtkommen und auch mit der Erinnerung.
Die war schlimm.
Plötzlich sah sie wieder alles vor sich. Die Wohnung, die düsteren Zimmer. Sogar die Angst kehrte zurück. Dann hatte sie das Licht eingeschaltet und IHN gesehen.
Die Erinnerung an ihn hatte sie auch nicht während der Bewußtlosigkeit verlassen. Sie sah ihn vor sich, sie roch ihn sogar – oder nahm sie einen anderen Geruch wahr? Und dann hatte er zugeschlagen. Einfach so. Und seine Faust hatte ihr Kinn getroffen. Das war der Hammer gewesen, der sie hinein in eine andere Phase gebracht hatte.
Und jetzt?
Der Kopf schmerzte. Vom Kinn her strahlten die Schmerzen aus und
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